22. Deutscher Mühlentag, Pfingstmontag 25. Mai 2015

Zum 22. Deutschen Mühlentag, Pfingstmontag, 25. Mai 2015
Mühlenromantik?

"Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“

Allerhand Romantisches, aber auch Geheimnisvolles rankt um die Mühlen von einst und ihre Besitzer; oftmals Gerüchte, die mit der Wirklichkeit nicht viel gemein hatten.


Foto: 2015 © Ulrich Göpfert

"In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad“, Eichendorffs bekanntes Gedicht, oder das Kinderlied "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ oder Wilhelm Müllers Wanderlied "Das Wandern ist des Müllers Lust“, romantische Gedanken und Betrachtungen von Philosophen und Dichtern charakterisieren das viel beschriebene Mühlenleben, das mit dem harten Müllerberuf allerdings in der Wirklichkeit nicht viel gemein hatte. Neben der notwendigen körperlichen Kraft musste der Müller von einst sehr viele technische Kenntnisse aufbringen. Er musste die mechanischen Abläufe verstehen, Fehler schnellstmöglich beheben können und so dafür sorgen, dass sein Arbeitsplatz kontinuierlich "klapperte“, schließlich hing nicht selten eine Großfamilie von den Einkünften des Familienoberhauptes ab.

Müller sein hieß, die Mechanik der Getriebe und die Kunst des Wasserbaus in den damals bekannten Prinzipien verstehen. Insofern war der Müller ein "Meister“, ein vorindustrieller Ingenieur. Die Tatsache, dass Mehl die Grundlage für das "tägliche Brot“ war und Mühlen eine ergiebige Einnahmequellen darstellten, führte im Mittelalter dazu, dass das Anlegen und Betreiben von Mühlen ein herrschaftliches Recht (Mühlenrecht) war, aus dem mitunter auch ein "Mühlenbann“ oder "Mühlenzwang“ abgeleitet wurde. 


Foto: 2015 © Ulrich Göpfert

Die meisten Mühlen waren im Mittelalter Bann- und Zwangmühlen. Aufgrund des "Mühlenbannes“ war das Mahlen in einem bestimmten Gebiet nur dem herrschaftlichen Müller gestattet. "Mühlenzwang“ bedeutete, dass bestimmte Bauern oder Ortschaften ihr Korn nur in der Mühle des Grundherrn mahlen durften. Dieser Mühlenzwang wurde in Bayern 1804 aufgehoben. Für den Müller hieß Mühlenzwang aber auch, dass er die Kunden ("Mahlgäste“) nach der Reihenfolge ihres Eintreffens und dass er einheimische vor fremden Mahlgästen bedienen sollte. Am bekanntesten ist wohl, das aus dem Mühlenrecht des 13. Jahrhunderts stammende, auf die Kundenmühle bezogene Rechtssprichwort: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.

In den Mühlenordnungen war auch festgelegt, dass Mühlen in regelmäßigen Abständen zu besichtigen waren und dass bei Betrug und Diebstahl Strafen verhängt würden. Diese Mühlenaufsicht war ein von der Obrigkeit eingesetztes Ehrenamt, mit dem neben einem "vereydeten“ Beamten meist angesehene sachkundige Müller, aber auch andere Handwerker beauftragt wurden. In Bayern übernahmen 1849 die Schultheißen die Mühlenaufsicht. Neben der Beschau nach äußeren oder inneren Schäden am Mühlengebäude, nach der Verunreinigung des Mühlbaches und Mühlkanals oder des Wehrs mit dem vorgeschriebenen Fang-Rechen wurden vor allem auch das Vorhandensein des Eichpfahls kontrolliert.

Seltsamerweise galt das Müllerhandwerk lange Zeit als "unehrlich“, ähnlich wie auch die Berufe des Abdeckers, Henkers, Baders, Schäfers, Leinewebers und des Spielmannes. Die Ursprünge für den schlechten Ruf der Müller ("Müllerrüchigkeit“) werden u. a. in frühgeschichtlicher mythischer Religiosität vermutet, bleiben für uns aber verdeckt und vergessen. Einsam und abseits gelegene Mühlen waren in der Volksphantasie gerne Orte für Spuk- und Gräuelgeschichten. Wie die Mühle meist außerhalb des Ortes stand, so stand auch der Müller zuerst außerhalb der Dorfgemeinschaft. Lange Zeit (bis 1587) war ihnen das Recht auf eine eigene Handwerkszunft verwehrt, und diese "Müllerrüchigkeit“ erschwerte dem Müller auch eine Einheirat oder Existenzgründung in einem anderen Berufsstand. Dieses Müllertabu verpflichtete sie andererseits, solche unliebsamen Tätigkeiten zu verrichten wie beim Aufrichten des Galgens Frondienste zu leisten und bei Hinrichtungen durch den Strick die Galgenleiter zu liefern.

Doch täten wir den ehemaligen Müllern und dem gesamten Müllerhandwerk Unrecht, würden wir sie nur als "unehrlich“, betrügerisch und habgierig abklassifizieren. Mit Recht entstanden seit dem 18. Jahrhundert vermehrt absichtlich verfasste Loblieder und Verse auf den Müllerstand, gleichsam zur Ehrenrettung. Und zur Begründung wird auf die Bedeutung des Mehles als Grundnahrungsmittel und Grundlage des "täglichen Brotes“ hingewiesen. Müller war (zumindest seit dem 17. Jahrhundert) ein angesehener Beruf, der Wertschätzung und Achtung genoss. Müller zu werden war nicht leicht, vor allem auch deswegen, weil die alteingessenen Müllerfamilien versuchten, durch geschickte Heirats- und Erwerbspolitik ihren Familienbesitz zu bewahren und zu vermehren. Es entstanden regelrechte "Müllerdynastien“.

Die Zünfte bestimmten bis ins 19. Jahrhundert hinein das gesellschaftlich-wirtschaftliche Leben der Handwerker. Der in den Zunftordnungen verankerte Zunftzwang bewirkte, dass allen "zünftigen“ Müllermeistern ein sicheres Auskommen beschieden war. Die Zunft organisierte und kontrollierte alle berufsinternen Vorgänge und sorgte dafür, dass innerhalb der Zunft keiner gegenüber dem anderen übervorteilt wurde, aber auch kein Ortsfremder den Zunftmitgliedern und deren Nachkommen vorgezogen werden sollte. Die Organisation der Zünfte war sehr straff. Einmal im Jahr zu einem festen Termin war Zunfttag, an dem Meister und Gesellen teilnehmen mussten, und unentschuldigtes Fernbleiben oder ungehöriges Auftreten wurde mit Geldstrafen geahndet. In der Zunftlade wurden die Zunftordnung, das Zunftbuch, das Zunftsiegel und das Zubehör für zeremonielle Handlungen aufbewahrt. Sie durfte nur vom Zunftvorsteher ("Ladenmeister“) geöffnet werden. Alle wichtigen Entscheidungen wurden "vor offener Lade“ getroffen.

"Das Sprichwort im Mund wiegt hundert Pfund“
Die Grußformel der Müller lautete "Glück zu“! und weist vielleicht darauf hin, dass in der Abgeschiedenheit der Mühle dem Müller und seiner Familie menschlicherseits, aber auch von Seiten der Naturkräfte oft Gefahr drohte. So hatten die Müller in der Hl. Katharina eine Schutzpatronin, die nach der Legende auf einem Rad gemartert wurde. Gemäß dem "Alten Kalender“ ist der 25. November der Katharinentag, wo es heißt: "Heut soll kein Spinn-, Wagen- und Mühlrad gehen“. Daraus dichtete der Volksmund: "St. Kathrein stellt Tanz und Räder (auch: Geigen) ein“!


Foto: 2015 © Ulrich Göpfert


Eine Auswahl weiterer Sprichwörter im Zusammenhang mit der Mühle
und dem Müller sind:

"Müller und Bäcker stehlen nicht, man bringt`s ihnen“
"Müller und Bäcker sind die letzten, die Hungers sterben“
"Wenn der Müller ohne Brot, ist im Lande große Not“
"Wenn der Mühlgraben trocken steht, ist auch der Mehlkasten leer“
"In der Mühle ist das Beste, dass die Säcke stumm sind“
"Ein Mühlstein wird nicht moosig“

"Des Müller Grenzstein ist sein Ellenbogen“

"Der Müller ist ein adlig Kind, es arbeiten für ihn Wasser und Wind“
"Der Müller kann die Mühle drehen, aber nicht den Wind“
"Der Müller meint, das Korn wachse nur für seine Mühle“
"Wenn der Müller nicht von Mehl spricht, spricht er von Säcken“
"Ein Müller ohne Mühl` ist wie ein Besen ohne Stiel“
"Es gehören viele Seufzer dazu, eine Mühle zu treiben“

Diese Aufzählung ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den unzähligen Sprichwörtern die über Mühlen und Müllern entstanden sind, beendet wird dieser Beitrag mit einem Gedicht von unserem deutschen Dichter Wilhelm Busch:

Das Brot
...Ein Esel trug uns nach der Mühle.
Ich sage Dir, das sind Gefühle,
wenn man, zerrieben und gedrillt
zum allerfeinsten Staubgebild`
sich kaum besinnt und fast vergißt,
ob Sonntag oder Montag ist.

Und schließlich schob der Bäckermeister,
nachdem wir erst als zäher Kleister
in seinem Troge baß gehudelt,
uns in den Ofens höchste Glut.

Jetzt sind wir Brot. Ist das nicht gut?
Frischauf, du hast genug, mein Lieber,
greif zu und schneide nicht zu knapp
und streiche tüchtig Butter drüber
und gieb den anderen auch etwas ab!

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