Ausbruch des Ersten Weltkrieges

Ausbruch des Ersten Weltkrieges
Einer der großen Wendepunkte der Weltgeschichte


Großvater Willy Göpfert als Soldat im 1. Weltkrieg
Repro: Ulrich Göpfert

"Der Erste Weltkrieg ist einer der großen Wendepunkte der Weltgeschichte. Mit ihm beginnt das 20. Jahrhundert. Wer also den Gang der Geschichte dieses Jahrhunderts verstehen will, wird immer wieder zu diesem Ausgangspunkt zurückkehren müssen. Das gilt für die Deutschen mehr noch als für die anderen kriegführenden Nationen......“. (Peter Graf Kielmansegg)


Großvater Willy Göpfert als Soldat im 1. Weltkrieg
Repro: Ulrich Göpfert

Besonders eindrucksvoll schreibt Stefan Zweig in "Die Welt von gestern“ über den Wahn vom Krieg: "Die große Masse den Krieg aus der Perspektive der Schullesebücher und Bilder in den Galerien: blendende Reiterattacken..., der ganze Feldzug ein schmetternder Siegesmarsch – Weihnachten sind wir wieder zu Hause... und die jungen Menschen hatten ehrlich Angst, sie könnten das Wundervoll-Erregende in ihrem Leben versäumen....

Zwei Morde werden Auslöser des Krieges. In Sarajevo erschießt am 28. Juni 1914 ein Student, Mitglied einer serbischen Untergrundbewegung, den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz-Ferdinand und seine Frau. Als sich aufgrund der weltpolitischen Lage die Krise nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers zum internationalen Konflikt ausweitete führte dies zum Ersten Weltkrieg.


Weihnachten 1915 im Lazarett Heiligkreuzschule Coburg
Repros: Ulrich Göpfert

Im August 1914 brach der Krieg in Europa aus. Überall meldeten sich Hunderttausende von Freiwilligen in den Kasernen, um als Soldaten für ihr Vaterland zu kämpfen. Die Begeisterung für den Krieg war groß, auch in Deutschland. Nationales und militaristisches Denken sowie der Glaube an einen schnellen Sieg trieben die Menschen zu den Waffen.


Junge Damen versorgen am Coburger Bahnhof von
der Front eintreffende Soldaten
Repro: Ulrich Göpfert

Zu Beginn des Krieges war die Zuversicht, besonders des deutschen Generalstabes, auf einen Sieg groß. Man glaubte, innerhalb von 20 Tagen den Krieg an der Westfront beenden zu können. In einer traditionellen Entscheidungsschlacht sollte Frankreich vernichtend geschlagen werden.

1914 zogen überall in Europa die Soldaten in den Krieg, getragen von einer Woge nationaler Begeisterung, dem Glauben an die Gerechtigkeit der eigenen Sache und der Hoffnung auf einen kleinen, erfolgreichen kriegerischen Ausflug, nach dem sie Weihnachten wieder zu Hause im Kreise ihrer Angehörigen sein würden. Alle Warnungen, dass ein Krieg im Zeichen von Massenvernichtungswaffen kein Spaziergang werden könne und schon gar nicht schnell beendet sein würde, wurden als Schwarzmalerei angeprangert. Ganz im Gegenteil dazu bedeckten feindselige Parolen die Wände der Eisenbahnwaggons, die die Soldaten an die Front brachten: "Jeder Stoß ein Franzos“! "Zum Frühstück – Auf nach Paris“! Auf Wiedersehn auf dem Boulevard“!

Doch die Ereignisse entwickelten sich anders als erwartet. Erstmals in der Geschichte des Krieges standen sich gleich starke Riesenheere gegenüber, denen es nicht gelang, die Entscheidung in einer offenen Feldschlacht herbeizuführen. Der Vormarsch der deutschen Truppen kam bald ins Stocken und die Fronten erstarrten. Man begann mit dem Bau von Schützengräben, da keine Seite einen Meter ihrer errungenen Stellungen preisgeben wollte.

Kilometerlange Schützengräben sind für viele Soldaten auf beiden Seiten der einzige Lebensraum – oft jahrelang. Hacke und Spaten sind nicht selten wichtiger als das Gewehr. Stundenlange zermürbende Trommelfeuer sind an der Tagesordnung, geprägt wird das Ganze von verlustreichen Vorstößen über nur wenige Meter, den Luftkämpfen und dem Massensterben. In den ersten sechs Monaten fielen im Kampf um die Festung Verdun täglich 3.300 Menschen! Für die Heimat sollte das wahre Gesicht des Krieges verharmlost werden. Der Schützengraben erscheint als Idylle: da wird gelacht, sich in aller Ruhe rasiert, gegessen und Post gelesen, fast wie zu Hause. Schon im Frühjahr 1915 gehörte die Gasmaske zur notwendigen Ausrüstung der Soldaten, aber auch für Kinder in Frontnähe und Tiere, wie z. B. Meldehunde. Der Grund: Gas wurde erstmals als Angriffswaffe im Krieg eingesetzt.

Schon in den ersten Wochen und Monaten zeichnete sich ab, dass der Stellungskrieg Unmengen an Munition und Waffen erforderte. Im Oktober 1914 waren in Deutschland fast alle Reserven an Munition aufgebraucht. In dieser Situation wäre der Krieg verloren gewesen, hätten nicht bei Ausbruch der Kriegshandlungen zwei Zivilisten militärwirtschaftlichen Weitblick bewiesen. Sie organisierten die Mobilmachung von Mensch und Material. Es waren Walther Rathenau, Chef der Firma AEG und AEG-Mitarbeiter Richard von Möllendorf, die schon Anfang August 1914 erkannten, dass Deutschlands Waffen- und Munitionsindustrie von ausländischen Rohstofflieferungen abhängig war.

Auf Rathenaus Initiative hin wurde in den nächsten Wochen eine Rohstoffabteilung im Kriegsministerium ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe war es, alle vorhandenen Rohstoffreserven zu registrieren und sie weitgehend für die Kriegsindustrie zu reservieren. Das Kriegsministerium verfügte, dass Rohstoffe nur noch jene Wirtschaftszweige erhalten sollten, die direkt oder mittelbar an der Rüstungsproduktion beteiligt waren. Auf diese Weise wurde die Industrie gezwungen, in die Rüstungsproduktion zu investieren. Die deutsche Wirtschaft wurde so in den Dienst des Krieges gestellt. Das Problem der Abhängigkeit der deutschen Kriegswirtschaft von ausländischen Rohstofflieferungen ließ sich durch Schaffung einer Kriegsrohstoffabteilung nur aufschieben. Wo Rohstoffe fehlten, mussten sie soweit wie möglich durch künstlich hergestellte Rohstoffe ersetzt werden. Schon vor dem Kriegsausbruch war es den Chemikern Haber und Bosch gelungen, den für die Munitionsherstellung wichtigen Salpeter durch synthetischen Stickstoff aus der Luft zu ersetzen. Mit Ausbruch des Krieges wurde nun Haber damit beauftragt, die synthetische Herstellung von Salpeter zu organisieren. Mit Hilfe staatlicher Gelder wurden Großanlagen gebaut. Damit waren die industriellen Voraussetzungen für die Munitions- und Waffenproduktion geschaffen.

Der Krieg konnte mit unverminderter Härte weitergeführt werden. Aus ihren geschützten Stellungen heraus begannen die Kriegsgegner mit einer unvorstellbaren Materialschlacht. Der Nachschub brachte immer mehr Kriegsgeräte und immer mehr Menschen an die Front.

Die Ermattungsstrategie zielte nicht nur auf die Erschöpfung des gegnerischen Kriegsmaterials, sie richtete sich auch gegen das "Material Mensch“. In einem Brief aus dem Jahre 1916 beschreibt ein Soldat die Materialschlacht um Verdun: "Auf die Sekunde pünktlich brüllen 1.200 Geschütze auf. Noch nie gab es das....Stundenlang geht das so....wir schießen, schießen, schießen ohne Unterbrechung. Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr steigert sich unser Artilleriefeuer zum Trommelfeuer... Die Hölle bricht los, der Lärm... ist unbeschreiblich.

Die massenhafte Vernichtung von Menschen durch anonyme, unsichtbare Kriegsmaschinen war die grausame Wahrheit des neuen Krieges. Waffen wurden erfunden und eingesetzt, zum Beispiel Giftgas, die einzig und allein dazu dienten, den Gegner psychisch und physisch zu vernichten und die Stagnation des Stellungskrieges zu überwinden. Im April 1915 wurde der erste Gasangriff durchgeführt. Auch Flammenwerfer kamen zum Einsatz. Die Verbrennung und Vergasung des Gegners gaben dem Krieg neue, ungeahnte Dimensionen. Das Inferno der Kampfhandlungen wie der Anblick vieler erschossener oder verstümmelter Kameraden, ließ viele verzweifeln und psychisch krank werden.

In der Heimat
Ein erster Schritt auf dem Weg zur Mobilmachung der zivilen Bevölkerung war das Hilfsdienstgesetz von 1916: "Jeder männliche Deutsche vom vollendeten siebzehnten bis zum vollendeten sechzigsten Lebensjahr ist, soweit er nicht zum Dienste in der bewaffneten Macht einberufen ist, zum vaterländischen Hilfsdienst während des Krieges verpflichtet“. So entstand neben der militärischen Front eine zivile Front, die sogenannte Heimatfront. Hier wurden die Menschen zum Einsatz verpflichtet, hauptsächlich für die Herstellung von Kriegsgütern. Doch die Materialschlacht forderte auch diese Männer. Je mehr Soldaten an der Front fielen, desto mehr Arbeiter mussten aus den Fabriken an die Front beordert werden. Deshalb wurden auch Frauen und Kinder für den Arbeitseinsatz in Fabriken mobilisiert. Sie ersetzten die fehlenden Männer und arbeiteten in der Rüstungsindustrie. Um die leeren Staatskassen aufzufüllen, lieh sich der Staat im großen Umfang Geld von seinen Bürgern, was man Kriegsanleihe nannte. Ein Großteil der Bevölkerung beteiligte sich außerdem an Sammlungen von Kleidern und Altmetall. Beträchtliche Mengen von Gold- und Silberschmuck flossen auf diese Weise in die Rüstungsindustrie.

Der Krieg war erstmals nicht mehr allein die Angelegenheit von Militärs, er war zu einer Angelegenheit der gesamten Nation geworden und verschlang unermessliche Güter und Werte. Die Folge war, dass in der Heimat die Lebensmittel knapp wurden. Lebensmittelkarten wurden ausgegeben, die dem Einzelnen eine genau bemessene Ration an lebenswichtigen Nahrungsmitteln zumaß.

Die Niederlage
An der Front hatte sich die Lage inzwischen verändert. Die Gegner Deutschlands verfügten über weit größere Ressourcen an Material und Menschen als das Deutsche Reich. Die militärische Niederlage des Deutschen Reiches war besiegelt. Am 9. November 1918 gab Kaiser Wilhelm II. seinen Verzicht auf den Thron bekannt und flüchtete ins Exil. Am gleichen Tag rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann die Republik aus. Nach dem Waffenstillstandsangebot der deutschen Regierung wurde der Erste Weltkrieg am 11. November 1918 beendet.

"Dörfliches Leben während des 1. Weltkrieges"
Aus dem Kriegstagebuch 1917/18 aufgezeichnet
von Ernst Wilhelm, Lehrer in Dörfles:

1. Januar 1917: Es ist eben Krieg, der schon so viele liebgewordene Gewohnheiten und Gebräuche beiseite stellen ließ. Möge uns das neue Jahr im Frieden das Entbehrte wiederbringen!

3. Januar 1917: Die am 17. November einberufenen Jugendlichen, aber auf Reklamation wieder freigegebenen Willy Göpfert und Alfred Forkel wurden heute eingezogen. Willy Göpfert und Leander Liebermann wurden wieder entlassen. – Der ungediente Landsturmmann Eckardt, Verwalter im Rittergut, wurde heute einberufen.

15. Januar 1917: Heute werden nun auch noch Willy Göpfert und Leander Liebermann zum Heeresdienst eingezogen. Auch der 48jährige Pferdeknecht Wilhelm Schwarz wird heute eingezogen.

25. Januar 1917: Um dem Wucher Einhalt zu gebieten und um das Hamsterwesen einzudämmen, werden jetzt vom Kommunalverband Lebensmittelkarten für Nichtselbstversorger ausgegeben. Auf diese Karten werden Reis, Gries, Haferflocken, Nudeln etc. abgegeben.

1. März 1917: Damit die Reichskartoffelstelle eine Übersicht über die noch vorhandenen Kartoffelbestände gewinnen kann, wird auch im Herzogtum Coburg eine Aufnahme der noch vorhandenen Kartoffelbestände vorgenommen.

3. März 1917: Auf Verordnung des Herzogl. Sä. Staatsministeriums werden heute die Fortbildungsschulen im ganzen Herzogtum Coburg geschlossen. Wenn die landwirtschaftlichen Arbeiten sich nochmals häufen, soll auch den Schulkindern des 7. und 8. Schuljahres auf Verlangen während der Bestellzeit freigegeben werden.

Der März läßt sich für die Landwirtschaft in diesem Jahr schlecht an. Kälte stellt sich ein, so dass die Fenster bis oben gefrieren; bald schneit, bald regnet es, und er Bauer kann während der Märztage nichts an den Feldern bestellen.

April 1917: Dieses mißliche Wetter hält dauernd an durch den ganzen April.

Keine Steinkohlen sind vorhanden, alle Güterwägen werden für militärische Zwecke verwendet; das Brennholz hat einen noch nie dagewesenen Preis! Muss doch der Meter Brennholz mit 20 bis 30 Mark bezahlt werden.

Am Sonntag, dem 29. April, endlich änderte sich die Witterung und mit Beginn des Maimonats trat ein herrliches Wetter ein.

14. Mai 1917: Karl Sauerbrey (Eisengießer), Sohn der Witwe Sauerbrey hier, erlitt am 14. Mai in Wolhynien den Tod fürs Vaterland.

1. bis 3. Juni 1917: Die hier sowie im ganzen Land abgehaltene U-Boot-Spende ergab den Betrag von 33,35 Mark. Dieser Betrag wurde an den Marineverein in Coburg abgeliefert.

1. Juni 1917: Dank an die Lehrerschaft. Das stellvertr. Generalkommando in Kassel hat durch das herzogl. Staatsministerium unterm 18. Mai der Coburger Lehrerschaft seinen besonderen Dank für ihre hingebende und erfolgreiche Werbetätigkeit für die Kriegsanleihe ausgesprochen.

20. Juni 1917: Heute werden die 18jährigen Schindhelm, Engelhardt, Edmund Löhner und Schwarz zum Heeresdienst einberufen.

28. Juni 1917: Das hiesige Schulglöcklein wird heute abgenommen und nach Coburg abgeliefert. Es hat ein Gewicht von 54 kg; es wird hierfür eine Entschädigung von 243 Mark gewährt (à kg 3,50 Mark und für je 1 kg 1 Mark Prämie). Sie ist erst im Jahre 1912 in Apolda gegossen worden. Sie hatte weder Geschichts- noch Kunstwert. Deshalb war sie beschlagnahmt und wie viele anderen Glocken und Glöcklein des Landes zu Kriegszwecken verwendet. Hoffentlich hilft sich auch mit, einen baldigen Frieden herbeizuführen.

29. Juli 1917: Nach unendlich schwülen Tagen stieg das Thermometer im Schatten auf 32 Grad Celsius, zog heute Abend ein Gewitter über unsere Gegend und erfrischte die Natur mit Regen.

30. Juli 1917: Auch in diesem Jahr werden wieder Obstkerne gesammelt. Die Schulen des Landes gelten als Sammelstellen. Es werden gesammelt Kerne von Kirschen, Pflaumen, Zwetschgen, Mirabellen, Reineclauden, Aprikosen, Zitronen, Apfelsinen und Kürbissen.

Die Kerne müssen gut gereinigt und getrocknet sein. Für das kg vorschriftsmäßiger abgelieferter Kerne des Steinobstes werden 10 Pfg., für Kürbiskerne 15 Pfg., für Aprikosen- und Apfelsinenkerne 35 Pfg. bezahlt.

30. Juli 1917: Dem Gefreiten Gustav Büchner wurde das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen, er wurde zum Unteroffizier befördert.

1. August 1917: Das Landratsamt veröffentlicht eine Verordnung betreffend die Einrichtung von Flurwachen in den Landgemeinden. Zur Verhinderung der Felddiebstähle sind in allen Gemeinden des Landbezirks unverzüglich Flurwachen einzurichten.

2. August 1917: Heute Nacht überzog endlich unsere Gegend ein Gewitter mit anhaltendem Regen und erquickte Feld und Flur und auch die Menschen.

Das Eiserne Kreuz II. Klasse erhielt nachträglich, nachdem er schon im vorigen Jahr (er hatte einen Schuß im linken Oberarm, so dass er seinen Arm wenig zur Arbeit gebrauchen kann), aus dem Heeresdienst entlassen worden war, der Gefreite August Herppich.

Wie in anderen Gemeinden ist auch hier eine Flurwache eingerichtet worden, um eine Abhilfe gegen die immer um sich greifenden Feld- und Obstdiebstähle zu schaffen. Die Wachen haben hier die größeren Grundbesitzer übernommen.

15. August 1917: Eine gewerbliche Betriebszählung findet im Lande statt.

18. August 1917: Der Unteroffizier Bernhardt Reinhardt, Inhaber des Eisernen Kreuzes

I. Klasse, wurde mit der silbernen Verdienstmedaille mit Schwertern ausgezeichnet.

2. Oktober 1917: Hindenburg-Dank: Seit der siegreichen Schlacht von Tannenberg wird der Name Hindenburg im ganzen deutschen Volke mit dem Gefühl des Dankes und Verehrung genannt. Er feiert am 2. Oktober seinen 70. Geburtstag. Es entspricht der deutschen Gesinnungsart, diesem Ehrentage einen würdigen Ausdruck zu geben und dem großen Heerführer eine Geburtstagsfreude zu bereiten. Der Ertrag einer Sammlung im deutschen Volke soll dem Heerführer für Kriegsgefangenenfürsorge und Soldatenheimarbeit als Hindenburg-Dank überwiesen werden. Auch die Einwohner unserer Gemeinde wurden gebeten, ihr Scherflein zu dem guten, vaterländischen Werke beizutragen. Der Ertrag der Sammlung ergab 64,10 Mark.

13. November 1917: Im ganzen Lande findet eine Haussammlung statt, deren Ertrag zu Weihnachtsgaben fürs Feld und Lazarette Verwendung finden soll. Auch in unserer Gemeinde findet auf Veranlassung des Marienvereins eine solche statt.

Die Sammlung ergibt einen Betrag von 89,85 Mark.

November 1917: Der Landwehrmann Arthur Günther, bei einem Art.-Reg. Stehend, wird mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Auch der Musketier Ernst Dressel, beim Inf.-Reg. Nr. 71 stehend, wird anfangs Dezember mit dieser Auszeichnung geschmückt.

5. Dezember 1917: Bei der heute stattgefundenen allgemeinen Volkszählung wurden in der Gemeinde in 94 Haushaltungen 165 männliche und 205 weibliche Personen vorgefunden.

13. Dezember 1917: Heute kommt die Trauernachricht, dass der einzige Sohn des Fabrikarbeiters und Gemeindekassiers Wilhelm Reinhardt, der Unteroffizier Bernhardt Reinhardt, in einem Sturmbataillon, Inhaber des Eisernen Kreuzes I. und II. Kl. und der coburgischen Verdienstmedaille in Silber mit Schwertern, im blühenden Alter von 23 Jahren, nachdem er 3 Jahre treu für sein Vaterland gekämpft hat, bei einem Sturmangriff durch ein Artilleriegeschoß schwer verwundet und am 6. Dezember in einem Feldlazarett den Heldentod gestorben ist.

15. Dezember 1917: Auf Beschluß der Herzogl. Sä. Staatsministeriums werden die diesjährigen Weihnachtsferien um eine Woche verlängert, so dass der Unterricht am Montag, 14. Januar 1918, wieder beginnt.

30. Dezember 1917: Karl Friedel erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse und auch Ernst Dressel.

1918

Du Jahr 1918, sei gegrüßt, will` s Gott als Jahr des Friedens, dessen Zahl mit goldenen, flammenden Lettern in das Buch der Weltgeschichte geschrieben sein wird!

16. Januar 1918: Von gestern auf heute trat plötzliches Tauwetter ein. Heute um 8 Uhr Vormittags stieg das Thermometer auf 9 Grad Celsius, so dass die wunderschöne Schlittenbahn plötzlich verschwunden war und Hochwasser eintrat. Die Au gleicht einem großen See. 16. Januar 1918: Nach erfolgter Überführung in die Heimat wurde heute der Unteroffizier Bernhardt Reinhardt auf dem Ehrenfriedhof in Coburg bestattet. Ein großer Trauerzug der Ortseinwohner, des Turnvereins, der hiesigen Jungfrauen, bezeugten dem für das Vaterland gefallenen Helden die letzte Ehre. Herr Pfarrer Siegel, Unterlauter, spendete den Hinterbliebenen reichen Trost. Soldaten des 71. Inf.-Reg., welches gegenwärtig hier in Coburg in Garnison liegt, gaben ihrem Kameraden die letzte Ehrenbezeugung. 15. März 1918: Auch die Blitzableiter-Anlagen auf sämtlichen öffentlichen und privaten Gebäuden wurden auf Anordnung des Kriegsministeriums beschlagnahmt und abgenommen und der Kriegsrüstungsindustrie geopfert. Heute wird die Kupfer-Blitzableiter-Anlage der Schule durch den Dachdeckermeister Schorn in Coburg abgenommen und durch einen neuem vom Kriegsministerium gelieferten, verzinkten Eisendraht ersetzt. 26. März 1918: Bei der heute in Coburg stattfindenden 2. Kriegsaushebung wurden folgende junge Leute, die im Jahre 1900 geboren wurden, ausgehoben: Wilhelm Morgenthum, Willi Pflaum, Hans Feder, Franz Straubel, Emil Knauer, Eduard Büchner, Arno Wilhelm. 15. April 1918: Die Sommerzeit beginnt heute Morgen 2 Uhr. Sämtliche Uhren des Landes wurden um eine Stunde vorgerückt. 22. April 1918: Schulfrei! Anlässlich des glänzenden Resultates der 8. Kriegsanleihe fällt heute der Unterricht in den Schulen aus. 28. April 1918: Wohnungszählung in den Industrieorten. 31. Mai 1918: Arthur Löhner fällt fürs Vaterland. Juni 1918: Ludendorff-Spende: Durch Hauslistensammlung wurde hier zur Ludendorff-Spende gesammelt: 47,90 Mark und 65,00 Mark, so dass ein Betrag von 112,90 Mark abgeliefert werden konnte. In der zweiten Hälfte des Monats Juni werden die kriegsverwendungsfähigen 18jährigen zum Heeresdienst einberufen. Es sind Willi Pflaum, Eduard Büchner, Franz Straubel, Hans Feder, Emil Knauer zum Bahndienst und Willi Morgenthum.

Am 12. September 1918 wird Arno Wilhelm, noch nicht ganz 18 Jahre alt, welcher bisher die Herzogl. Oberrealschule in Coburg besuchte und als garnisonsverwendungsfähig in der Heimat bei der Musterung ausgehoben wurde, nach Bisch (Lothringen) zum Heeresdienst eingezogen. Er ist der einzige im Dorf.

Gegenwärtig herrscht eine nie geahnte Teuerung im ganzen Land. Alle Bedarfsartikel sind 400 bis 500 % und noch mehr im Preis gestiegen. Namentlich mit den Lebensmitteln wird von seiten der Landwirtschafttreibenden Bevölkerung ein ungeheurer Wucher getrieben. Der Schleichhandel steht in hoher Blüte. Alle "beschlagnahmten“ Waren werden hintenherum mit ungeheueren Preisen verkauft. Die Kriegslieferanten und sog. Kriegsgewinnler, die ungeheuer viel Geld verdienen, bieten so hohe Preise für alles, namentlich für Lebensmittel, die von der Landwirtschaft wieder gerne genommen werden. Eine fette Gans kostet sage und schreibe 100 Mark. Ein Ei kostet 50 bis 60 Pfg. Auch für Brot fordert man unverschämte Preise. Herr Pfarrer Siegel in Unterlauter geißelte darum im Gottesdienst (13. Okt. 1918) das Verhalten dieser Wucherer mit scharfen Worten. Soll doch ein Einwohner einer Gemeinde im Pfarrspiel Unterlauter für einen Laib Brot 7 Mark gefordert haben. Ein Paar Männerschuhe kosten 48 Mark, ein Paar Frauenschuhe 38 Mark. Für ein Pfund Butter fordert man 8 bis 10 Mark und noch mehr.

14. Oktober 1918: Die Grippe (Spanische Krankheit) greift in unserer Gegend in besorgniserregender Weise überhand. Die Zahl der Erkrankungen ist in Stadt und Land eine ziemlich hohe, und leider sind auch bereits eine Anzahl Todesfälle zu bezeichnen.

Oktober bis November 1918: Die Lage ist ernst. So hieß es schon seit einiger Zeit in den telegrafischen Kriegsberichten der Obersten Heeresleitung. Bald kamen wieder Siegesnachrichten über die heranstürmenden feindlichen Menschenmassen, die aus allen denkbaren Ecken der Welt gegen uns aufgeboten wurden. Siegesnachrichten und ernste Nachrichten wetteiferten miteinander. Über die wahre Lage wurden wir in der Heimat getäuscht. Es waltete strenge Zensur über die Zeitungsnachrichten. Doch erzählten Soldaten aus der Front viel von der jetzt herrschenden Disziplinlosigkeit. Man glaubte vielfach den Erzählungen nicht. Man hielt diese Nachrichten für übertrieben, ja für Lügen. Man konnte sich von dem deutschen, preußischen Heer gar nicht denken, dass in ihm Disziplinlosigkeit vorkommen könnte. Nach und nach erfuhr man, dass an diesen Tatsachen nichts mehr zu ändern war. Mutlosigkeit beherrschte nach und nach die Heimat. Eine große Niedergeschlagenheit trat ein. Die Behörden ordneten an, aufklärend auf das Volk einzuwirken: vaterländischer Volksunterricht war von nun an das Schlagwort an alle Offiziere, Geistliche und Lehrer. Im Besonderen wurden von der Kriegsamtsstelle in Kassel, Versammlungen in Coburg, Erfurt, Kassel etc. einberufen, die von allen Schichten der Bevölkerung nach vorhergegangener Einladung sehr besucht wurden. Es sollte das Volk durch Vorträge von tüchtigen Rednern aufgeklärt werden. Auch wir Lehrer sollten das Volk beruhigen, aufklären, sowohl in der Schule als auch in der Fortbildungsschule und sonst bei gegebenen Gelegenheiten und damit auch zugleich vorbereiten auf die 9. Kriegsanleihe. Die auf Urlaub befindlichen Soldaten wirkten jedoch auf das Volk durch ihre beunruhigenden Nachrichten mehr ein als wird durch beruhigende Aufklärung auszurichten vermochten. Wir waren über die wahre Lage getäuscht worden. Niedergeschlagenheit, Angst bemächtigte sich nach und nach des Volkes. Man raunte sich in die Ohren, Deutschland verliere den Krieg.

Anstatt Kriegsanleihen zu zeichnen, überrannte man die Sparkassen, um sein gespartes Geld herauszuholen. Der Andrang war so groß, dass die Sparkassen gezwungen waren, nicht große Beträge auszuzahlen, sondern nur kleine. Mit knapper Not war die Kriegsanleihe unter Dach und Fach gebracht. Das Volk hatte sich wenig an der Zeichnung beteiligt. Die großen Bankgeschäfte und die Kriegsgewinnler hatten das meiste zum Gelingen der Anleihe beigetragen.

November 1918: Auf einmal brachte der Draht wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Nachricht: Die Kriegsflotte in der Ostsee ist in den Händen der Aufständischen! Kiel ist in den Händen der Aufrührer! In Hamburg und Bremen ist die Revolution ausgebrochen! Nun mehrten sich die Hiobsbotschaften Tag für Tag, ja Stunde für Stunde. Niederschmetternd wirkte die Nachricht: Der Kaiser hat abgedankt! Der Kaiser ist mit wenig Getreuen nach Holland geflüchtet! Die Regierung kommt allmählich in die Hände der sozialdemokratischen Partei. Arbeiter- und Bauernräte übernehmen die Landesregierung, das Staatsministerium kommt in ihre Gewalt. Am 10 November ist das herzogliche Schloss in Besitz der Soldatenräte, rote Fahnen wehen allenthalben in Stadt und Land. Eine Fürstlichkeit nach der anderen dankt ab. So müssen Fürstlichkeiten Deutschlands, Thüringens, Bayerns usw. des Thrones entsagen. Auch unser Herzog Carl Eduard muss abdanken. Deutschland bildet eine Anzahl Republiken. Mit dem Feind wird ein Waffenstillstandsvertrag geschlossen. Die deutschen Heere fluten rückwärts, alles im Stich lassend, über den Rhein. Deutschland liegt zertrümmert am Boden. Welche Enttäuschung, Verbitterung, Verärgerung!

18. Dezember 1918: Das ganze deutsche Heer, das überstürzt hastig die Front verließ, kam allmählich nach langen anstrengenden Märschen in der Heimat an. Auch die aus unserem Dorf ins Feld gerückten Soldaten kehrten nur langsam und ziemlich vereinzelt in die Heimat zurück.

Der Empfang der Soldaten war gerade nicht herzlich zu nennen. Zwar war das Dorf festlich geschmückt, Girlanden waren am Eingang und in der Mitte des Dorfes gebaut, auch einzelne Häuser waren mit Kränzen geschmückt. Rote Fahnen zeigten sich an einigen Häusern.

31. Dezember 1918: Wir trauern um teure Anverwandte und Freunde, die in der Heimat und in Feindesland der kühle Rasen deckt.

Die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus Dörfles und Esbach: (folgende Namen sind auf dem Kriegerehrenmal Unterlauter verzeichnet)

Dörfles:
Friedrich Dressel 1916 Max Forkel 1915 Ernst Heß 1915 Bernhard Reinhardt 1917 Gustav Sauerbrey 1915 Robert Schmidt gest. 1919

Esbach:
Arthur Löhner 1918

Vielen Dank an den Alt-Bürgermeister der Gemeinde Dörfles-Esbach, Herrn Hans Lotter, der die Genehmigung des Abdruckes des Kriegstagebuches 1917/18 von Lehrer Ernst Wilhelm aus der Chronik der Gemeinde Dörfles-Esbach gestattet hat.

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