Nach einer Erzählung von Andreas Stubenrauch
Es war zu jener Zeit, als Graf Hermann von Henneberg über Land und Pflege Coburg herrschte. Da kam es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Bischof von Bamberg. In einem Gefecht nahm der Graf zwölf Junker gefangen und sandte sie in den sicheren Gewahrsam der Veste Coburg. Die Gefangenen wurden dort aber nicht allzu streng gehalten und trieben oft innerhalb des Burghofes und bei der großen Stiege allerhand Kurzweil.
Als sie wieder einmal beisammen waren, geschah es, dass der Burgkaplan Malchus, ein finsterer Mönch, die offene Stiege herab in den Burghof gehen wollte; allein durch eigene Ungeschicklichkeit glitt er aus und fiel die Stiege herab. Darüber erhoben die zuschauenden Junker ein helles, schallendes und anhaltendes Gelächter, das den Mönch sehr verdross. Er erhob sich zornig und verklagte die Junker beim Burgherrn. Dabei behauptete er, unter den Gefangenen befinde sich auch der Mörder, der einst den Vater des Grafen erschlagen habe.
Da befahl Graf Hermann in seinem Zorn, um Mitternacht sollten so viele Häupter fallen, wie der Turmwächter auf dem Sankt-Moriz-Turm Stunden anblasen würde. Der Türmer erhielt noch dazu den Befehl, zwölfmal in sein Horn zu stoßen.
Stadtkirche St. Moriz Coburg
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert
Die Gräfin, eine milde fromme Frau, erfuhr von dem Vorhaben und war sehr betrübt; gerne hätte sie die Junker gerettet. Bei ihrem Gatten bat sie um das Leben der Jünglinge. Mit ihren bittenden Worten besänftigte sie den strengen Herrn, so dass er beschloss, nur einer, und zwar der Mörder seines Vaters, sollte hingerichtet werden. Die Gräfin wollte aber auch den Tod des einen verhindern, ließ den Türmer rufen und in ein Gemach einschließen, damit er nicht ins Horn stoßen konnte. Der Mönch aber hielt sich im Nebenzimmer auf und hörte alles mit an.
Es war kurz vor Mitternacht, da wurden die Junker zum Richtplatz geführt, um sie mindestens die Angst des Todes empfinden zu lassen. Der Türmer im Gemach erhielt von der Gräfin eine Kanne Wein und war deshalb heiteren Mutes.
Da schlug die Glocke vom Morizturm zwölfmal, und als der zwölfte Schlag verklungen war, tönte schaurig das Horn vom Turm, und mit jedem Ruf sank ein Haupt dahin. Die Gräfin erschrak zu Tode, und der Türmer in seinem Verschluss wusste nicht, wie dies zuging. Aber auch der Graf erschrak heftig, denn nunmehr wollte er nicht mehr den Tod der Jünglinge. Er sandte einen Reiter zur Richtstätte, um Einspruch zu erheben, aber es war zu spät. In ohnmächtigem Zorn stieg der Graf selbst auf den Turm, fand dort den Mönch mit des Türmers Horn in Händen und frohlockend ausrufen: "So, ihr Buben, nun werdet ihr meiner nicht mehr spotten". Da ergrimmte der Graf, packte den hinterlistigen Mönch und warf ihn vom Turm hinunter, dass sein Körper zerschellte.
Nun tutet immer wieder, wenn die Nacht wiederkehrt, nicht der Wächter, sondern der Mönch, der im Grab keine Ruhe fand, in das Wächterhorn.