Fränkische Weinberge

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Fränkische Weinberge
Seit über 3000 Jahren werden in Europa Weinreben kultiviert

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Foto: 2014 © Ulrich Göpfert

Bereits vor über 3000 Jahren kultivierten die Römer im Mittelmeerraum Weinreben; mit dem Vordringen der Römer gelangte auch der Weinbau nach Deutschland. Als Wärme liebende Pflanze gedeiht die Rebe bei uns nur an Standorten, die klimatisch begünstigt sind. Da der Wärmegenuss an südlich bis westlich exponierten Hängen erheblich höher ist, konzentriert sich hier der Weinbau. Das Nebeneinander von Weinbergen, Brachen und Obstflächen war ein Ausdruck der vielseitigen Bewirtschaftung des Landes.

Der Weinanbau in Steillagen bedingt, dass der Boden durch Mauern vor Erosion geschützt werden muß. Steine wiederum ermöglichen eine höhere Wärmespeicherung. Damit sind wesentliche Strukturelemente des Lebensraumes Weinberg geschaffen: vielfältige Strukturen, offene, schnell, erwärmbare Flächen, aber auch Spalten, Fugen, Lesesteinwälle und Hohlwege als Rückzugsräume. Pflanzen- und Tierarten haben sich an die besonderen Bedingungen in Weinbergen angepaßt.

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Foto: 2014 © Ulrich Göpfert

In scharfem Kontrast zu dieser naturschonenden Bewirtschaftung stehen negative Beispiele wie durch Flurbereinigung, Agrochemie, Überdüngung und Maschineneinsatz die Wirtschaftlichkeit zu Lasten der Natur in den Vordergrund tritt. Es gibt aber auch moderne Verfahren, die auf einen Ausgleich zwischen ökologischen Gesichtspunkten und ökonomischen Erfordernissen angelegt sind und wie Erkenntnisse aus den Zusammenhängen der Natur genutzt werden können, die natürlichen Abläufe zu fördern, um gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Der Rebanbau in Deutschland, von den Römern vor ca. 3000 Jahren begründet, schuf eine bis heute in Resten erhaltene Naturlandschaft.

An den typischen Weinbaustandorten, also den südlich bis westlich exponierten Steilhängen entlang des Rheines mit seinen Nebenflüssen Neckar, Mosel und Main entstanden Pflanzen- und Tiergesellschaften, wie sie sonst nur in Gebieten des Mittelmeerraumes oder des Balkan zu finden sind. Im Gegensatz zu heute, wo Weinbau von spezialisierten Betrieben durchgeführt wird, lag früher der Weinbau in der Hand von Landwirten, die neben Weinbau auch Viehhaltung, Ackerbau und Obstbau betrieben. Im Umgriff der Rebflächen fanden sich nebeneinander Ödland, Obstbau und Weinberge. Diese vielfältige Struktur förderte gleichzeitig eine Flora und Fauna, die an hohen Wärmegenuss angepasst ist, zugleich jedoch auch an Feucht- oder Schattenstellen günstige Existenzgrundlagen fand.

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Foto: 2014 © Ulrich Göpfert

Diese Weinberglandschaft wurde vom Menschen über Jahrhunderte hinweg geschaffen und erhalten: Mauern, Steintreppen, Lesesteinwälle, Hohlwege, Kleinterrassen und Böschungen, aber auch die mechanische Bodenbearbeitung im Weinberg sind die Elemente, die die Grundlage für typische Weinbergspflanzen und Tiere schufen. Typische Pflanzen der Weinberge sind: Blasenstrauch, Weinbergstupe, Traubenhyazinthe, Nickender Milchstern, Runder Lauch, Judenkirsche, Osterluzei, Acker-Goldstern, Acker-Ringelblume.

Die Tierarten dieser Weinberge sind an unterschiedlichste Kleinstrukturen angepaßt: Wildbienen, Erzwespen und Erdhummeln sowie Zauneidechsen und Schlingnattern nutzen die warmen, jedoch Schutz bietenden Bereiche der Trockenmauern und Treppen. An Vögeln sind Heckenbraunelle, Gartenrotschwanz, Mönchsgrasmücke und Neuntöter, an einigen Stellen auch Uferschwalben zu finden. Die große Zahl der Blütenpflanzen auf Flächen, die nur einige Jahre brach liegen, locken seltene Schmetterlinge wie Mittlerer Weinschwärmer, Zwergbläuling, Admiral und Segelfalter, aber auchSchwebfliegen und Hummeln an. Viele Insektenarten überwintern als Puppen an Halmen von Gräsern oder Kräutern.

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Foto: 2014 © Ulrich Göpfert

Die Bewirtschaftung dieser historischen Weinberge erforderte große Anstrengung; mühe- und kunstvoll zugleich der Bau der Trockenmauern und Treppen, schweißtreibend der Transport von Mist – oft in Kiepen auf dem Rücken. Ebenso beschwerlich war das Einbringen der Trauben, wiederum in Butten auf dem Rücken. Und trotz der Mauern und Treppen führten starke Gewitterregen dazu, dass ganze Weinberge ins Tal geschwemmt wurden; was blieb anderes, als in mühevoller Hand- und Gespannarbeit die wertvolle Erde wieder nach oben zu bringen. Dennoch, der viel gerühmte und einzigartige Geist im Wein war der Antrieb, den Weinbau auszudehnen; alleine in Franken wurden in der Hoch-Zeit des Weines ca. 15000 ha bewirtschaftet, heute sind es nach einem zwischenzeitlich starken Rückgang wieder fast 6 000 ha.

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Foto: 2014 © Ulrich Göpfert

Weinbau findet sich heute in immer geringerem Maße auf Steilhängen, nur noch vereinzelt sind Trockenmauern und Kleinterrassen zu finden. Die Abwanderung der ländlichen Bevölkerung in gewerbliche Berufe zwang zu höherer Arbeitsproduktivität im Weinberg: flache oder leicht geneigte, bisher als Äcker genutzte Böden bepflanzte man mit Reben, steilere, bisher durch Mauern geprägte Weinberge wurden bereinigt, also glatt geschoben, damit im Direktzug mit Schleppern zu bewirtschaften. Die vielfältigen Strukturen, an die viele Pflanzen- und Tierarten gebunden und angepaßt waren, gingen verloren. Gleichzeitig ermöglichten die neuen Sorten, größere Ernten zu erzielen.

Hohe Mengen synthetischen Düngers brachten zwar hohe Ernteerträge, die großen Blattmassen aber boten günstige Infektionsmöglichkeiten für Schadpilze; diese wiederum glaubte man mit chemischen Pflanzenschutz ausschalten zu können. Die nachteiligen Folgen dieser tiefgreifenden Veränderungen des Lebensraumes Weinberg zeigten sich bald: verdichtete Böden führten zu Wachstumsschäden der Reben, die Ausschaltung der Wildpflanzen ließ die natürlichen Feinde der Rebenschädlinge abwandern, mit der Folge, dass sich nun Milben, Rhombenspanner und Traubenwickler voll entfalten konnten; die erhoffte Wirkung von Pflanzenschutzmitteln blieb aus: Resistenzen, Beeinträchtigung der Gärung, Fehltöne, Allergien bei Winzern. Die starke Stickstoffdüngung zeigte sich auch in erhöhten Nitratwerten der Trinkwasserquellen.

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Foto: 2014 © Ulrich Göpfert

Etwa ab Mitte der achtziger Jahre begann die Wende: Einzelne Winzer wandten sich ab von der Methode des massiven Produktionsmitteleinsatzes. Die Ausgangspunkte für diese Wende waren unterschiedlich: hohe Kosten für Betriebsmittel, Allergien, unverkäufliche Weinmengen, Fehlgärungen und Geschmacksbeeinflussungen, Resistenzen bei Schadpilzen und tierischen Schädlingen, Erosionen und Bodenverdichtungen, schließlich auch die vermehrte Nachfrage nach „Öko-Wein“.

Ein beschwerlicher, aber kontinuierlicher Weg begann: natürlicher „Unkrautwuchs“ bietet Unterschlupf und Nahrung für Gegenspieler tierischer Schädlinge, gleichzeitig wird der Boden bedeckt, Feuchtigkeit gehalten und Erosion gemindert; weniger Dünger läßt die Reben stabiler und weniger anfällig werden für pilzliche Krankheiten; davon profitieren die empfindlichen Nützlinge.

Erst in jüngster Zeit entschied man sich in einigen Weinbaugebieten zum gänzlichen Verzicht auf Hubschrauberspritzungen. Die Brache als ein Instrument zur Bodengesundung erfreut sich steigender Beliebtheit, ein kleiner Ersatz für die früheren Böschungen und Feldraine. Biologische Schädlingsbekämpfung, besser bezeichnet als Schädlingsregulierung, hat den Charakter des Besonderen bereits verloren und ist Stand der normalen Praxis.

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Foto: 2014 © Ulrich Göpfert

Schließlich: Ohne Umweltschutz und „Natur“ läßt sich heute kaum noch Wein verkaufen. Damit können jedoch die früheren Strukturen der historischen Weinberge nicht mehr zurückgeholt werden; lediglich Reste konnten unter großen persönlichen Einsatz gerettet werden, der Anfeindung von Gewinnstreblern ausgesetzt.

Wird der Mensch daraus lernen?