Sage von Ruhla in Thüringen
Vom Ursprung der Ruhl und von ihrer Vergangenheit
Der Schmied von Ruhla - Fresko von Moritz von Schwind
Repro: Ulrich Göpfert
Der Ursprung der Ruhl, wie Ruhla auch genannt wird, reicht in ziemlich frühe Zeit zurück. Schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts wird sie in einigen Urkunden erwähnt und hier „Rupoldis“ genannt. Vor allem aber deutet ein noch vor nicht langer Zeit in Ruhla beliebtes Jugendspiel auf ein hohes Alter des Ortes: das so genannte „Laubmännchen“, die aus der Vorzeit bewahrte, in Thüringen sehr seltene Gepflogenheit, die Wiederkehr des Frühlings oder Sommers durch Laubeinkleidung symbolisch zu feiern.
Wie alte Chroniken erzählen, wohnten die Vorfahren der Rühler, einfache Bergleute, einstmals am Harz und wanderten später von dorther dem Inselsberg zu, den sie manchmal bei hellem, klarem Wetter weit unten im Süden wahrgenommen hatten. Er glich ihrem Brocken, und eine tiefe Sehnsucht hatte sie erfasst, die alte Heimat zu verlassen und in die lockende blaue Ferne zu schweifen. So kamen sie zum Thüringer Wald und ließen sich in den Talniederungen am Fuße des Inselsberges nieder. Hütten wurden gebaut und Hammerwerk angelegt, und bald wurde an lodernden Feuern das Eisen geglüht und geschmiedet, dass die Funken stoben.
So sollen in jener Zeit neben Ruhla auch Tabarz und Cabarz, Winterstein, Brotterode und Steinbach entstanden sein; und wirklich scheinen die Rühler Bewohnern dieser Orte stammverwandt, mit denen sie in Sprache und Tracht, in Sitte und Brauch noch jetzt so mancherlei gemeinsam haben, was sie von den anderen Thüringern wesentlich unterscheidet.
Von jenen ersten Ansiedlern geht noch eine andere Sage. Danach hatten die späteren Ruhlaer anfänglich mit anderen Stammesgenossen an der Hörsel, nahe dem heutigen Eisenach, ihre Wohnsitze aufgeschlagen, wo sie das Waffenschmiedehandwerk betrieben. Dorthin soll der Eisenstein auf Kähnen geschafft worden sein, und nach dem Eisen soll auch Eisenach seinen Namen führen. Da aber die Bearbeitung des Eisensteins hier gar zu viele Mühe machte, ist, wie die Sage berichtet, im 11. Jahrhundert eine Anzahl jener Waffenschmiede ins Gebirge hineingezogen und, dem Flusslauf aufwärts folgend, in das enge Waldtal gekommen, wo man aus den Tiefen der Berge den Eisenstein hervorholte. Hier, wo der rollende Bergbach zur Anlegung von Schmieden und Hammerwerken sich so recht geeignet zeigte, blieben sie und erbauten „die Ruhl“. Der Name „die Ruhl“ soll nach einigen Meinungen von Tirol und von dorther eingewanderten Leuten kommen, nach anderen aber – und das dürfte das Wahrscheinlichere sein – von dem Bergbach, dem „rollenden Wasser, das damals „die Ruhle“ hieß und erst in späterer Zeit, als er zur Grenze zwischen eisenachschem und gothaschem Herzogtum, den Namen „Erbstrom“ erhalten hat.
Nach der örtlichen Überlieferung hat die älteste Siedlung in der so genannten „alten Ruhl“ gelegen. Dort sollen im dichtbewaldeten Tal Kohlenbrenner oder Köhler die ersten Hütten gebaut und in mächtigen Meilern Holzkohlen gebrannt haben. Noch mancherlei erinnert an jene Zeit und an das ehrsame Handwerk der Kohlenbrenner. So heißt ein Forstort am Rennsteig über der „alten Ruhl“ noch heute die „große Meilerstätte“, am Breitenberge, in der Öhrenkammer und anderwärts findet oder fand man solche Brennplätze. Der Name Köhler begegnet uns häufig in der Ruhl und im damaligen gothaischen Ortsteile hat eine steile, enge Bergstraße den Namen Köhlergasse.
Den Kohlenbrennern folgten Bergleute, die den Eisenstein zutage förderten, und Hammerschmiede, die das aus dem Erz herausgeschmolzene Metall bearbeiteten. Am Bermer, am Wasserberg und hinter dem Kaiserberg soll damals viel Eisenstein gegraben worden sein; auch Steinkohlen fand man und am Wartberg Silber- und Kupfererz, ja sogar Gold.
Lange Zeit mögen Bergbau und Waffenschmiedehandwerk in großem Ansehen gestanden haben. Später brachten zwei Messermacher aus Ungarn ihr Handwerk in die Ruhl, und das Messerschmiedehandwerk entwickelte sich zu hoher Blüte, bis es nach fast dreihundert Jahren allmählich wieder zurückging und die Pfeifenfabrikation an seine Stelle trat.
Der Sage entgegen soll das weitausgedehnte Ruhlaer Bergrevier in früheren Zeiten gänzlich unbewaldet gewesen sein, ja, es heißt sogar, dass die Hänge der Berge hier und da dem Weinbau gedient hätten, wie denn am Ringberg noch vor reichlich hunderte Jahren die Grenzsteine der Weinberge aus zusammengetragenen Steinen zu sehen gewesen sein sollen. Die Weinberge und ihr edles Gewächs sind uns Spätgeborenen leider nicht überkommen!
Quellenhinweis: Ludwig Bechstein – Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringer Landes