Das Siemauer Hexen-Hährle - 2. Teil

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Das Siemauer Hexen-Hährle - 2. Teil
Das Hährle und die weißen Täubchen

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Blick auf Obersiemau
Foto: © Ulrich Göpfert

Der Schuster Georg Horn in Birkach, gleich hinter der Ziegelhütte stand sein Haus, war ein recht fleißiger Mann. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend saß er auf seinem Schemel und was er in seinen geschickten Händen hatte, das hatte seine Art. Eine ganz besondere Freude hatte er an seinen Täubchen. Die waren schneeweiß und so zahm und zutraulich, dass er nur zu pfeifen brauchte, und sie kamen ihm auf die Achsel, auf die Mütze und auf den Arm. Wenn er ihnen Futter streute, pickten sie dieses aus der hohlen Hand. Eines Tages, zur Frühstückszeit war es, da hatte der Hornschuster seinen Täubchen im Hof Futter gestreut, und wie sie eifrig drauflos pickten, kam blitzschnell vom Stadeleck her eine große, schwarze Katze mit feurig funkelnden Augen mitten unter die erschrockenen Täubchen gesprungen, und ehe sich der Schuster besinnen konnte, war sie mit einem weißen Täubchen auf und davon. Gerade so geschah es am zweiten Tag. Wieder zur Frühstückszeit holte ihm die große Katze ein Täubchen fort.

Als er am anderen Tag wieder Futter gestreut hatte, stellte er sich mit einem dicken Prügel auf die Lauer. Da war die Diebin auch schon wieder da. Wieder hatte sie eines mit den scharfen Krallen gepackt, als der Schuster den Prügel durch die Luft sausen ließ und ihr damit das rechte Hinterbein zerschlug. Einen Augenblick blieb sie stehen und hätte beinahe vor Schmerz das flatternde Täubchen fallen lassen. Aber als der Hornschuster die Katze greifen wollte um ihr den Garaus zu machen, da war sie verschwunden. Man konnte glauben, der Erdboden hätte sie verschluckt. Der Schuster sucht im ganzen Dorf. Alles war umsonst. Am späten Abend sahen die Leute eine große, schwarze Katze erbärmlich schreiend und hinkend über Wiesen und Felder schleichen. An der Grenzeiche ruhte sie etwas aus. Dann sprang sie auf Obersiemau zu und huschte, in das Haus der alten Hährle hinein.

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Hauptstraße in Obersiemau
  Foto: © Ulrich Göpfert

Als spät in der Nacht der Birkacher Schmied aus dem Obersiemauer Wirtshaus nach Hause gehen wollte, da hörte er das Hährle in ihrem Bett arg jammern und wehklagen. Der hat es dem Schuster erzählt und so wussten bald alle Leute, dass die spitzbübische Katze aus Obersiemau niemand anders als das Hährle war.

Hährles Ende
„Da haben wir es ja“, sagte der Hornschuster aus Birkach, als er erfahren hatte, wer seine Täubchen stahl. „Ich habe es mir gleich gedacht, dass niemand anders als diese verdammte Hexe meine Täubchen weggefangen hat. Nun soll sie mir alles schwer büßen. Morgen früh schon gehe ich zum Hexenriecher nach Coburg. Der soll ihr das unsaubere Handwerk legen.Am nächsten Tag machte sich der Schuster noch voller Zorn auf den Weg nach Coburg. Gerade vor der Haustür bei Hährle fand er drei kleine weiße Federchen liegen. Gewiss stammten diese von seinen armen weißen Täubchen her, die die Hexe verzehrt hatte. Er steckte sie in die Tasche und ging seines Weges weiter.

In Coburg in der Ketschengasse ließ er sich des Nestlers Balthasar Gernreichs Haus zeigen. Ein kleines dürres Männchen mit pfiffigem Gesicht und kleinen, runden Schweinsäuglein ließ ihn ein. Schmunzelnd vor Behagen hörte das Männchen alles mit an, was der Schuster Horn über das Hexenhährle berichtete. Das Männlein war der bei allen alten Weibern gefürchtete Hexenriecher, der schon viele Frauen in den berüchtigten Hexenturm auf der Stadtmauer gebracht und durch grausame Folter gezwungen, das sie sich als Hexen bekannten. Sie sind danach einen grässlichen Tod auf dem Scheiterhaufen gestorben. Der rieb sich vor Freude die Hände. Schnell kramte er seine Folterwerkzeuge, als da waren Ketten, Zangen und Schrauben, zusammen und er ging mit dem Schuster nach Obersiemau in das Haus der alten Hährle hinein.

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Blick auf Obersiemau
  Foto: © Ulrich Göpfert

Immer noch jammerte die Alte, als die beiden an ihr Bett traten. Sie klagte, sie sei beim Holzsammeln draußen im Banzer Wald über eine Wurzel gestolpert und habe sich dabei arg wehgetan. Damit war der Hexenmeister aus Coburg nicht zufrieden. „Hi, hi, hi“, lachte er und sagte im barschen Ton, dass das alte Weib erschreckt zusammenfuhr: „Du bist eine Hexe, die als Katze herumschleicht und Unheil stiftet. Du stehst mit dem Teufel im Bund. Gestehe, dann will ich dein Ende erträglich machen. Gestehst du aber nicht, dann werden dich die Daumenschrauben, an denen noch Hexenblut klebt, und diese Zangen zum Geständnis bringen.“ Da schwur das Härhle hoch und heilig, sie habe den Teufel weder gesehen noch gesprochen.

Als aber der Hexenriecher begann, ihr mit Gewalt die Schrauben an die zusammen gekrampften, mageren Finger zu legen und eben zuschrauben wollte, da ergab sich das Hährle in ihr grauenvolles Geschick. Wie ihr gar noch der Hexenriecher die eiserne Kette durch den Hornschuster auf ihr Bett legen ließ, und ihr erklärte: „An dieser Kette werde ich dich emporziehen und einen zentnerschweren Stein an deine Füße hängen“, da bequemte sie sich unter Angst und Zittern vor all den ihr bevorstehenden Schmerzen und Qualen zum Geständnis. „Wie bist du mit dem Teufel bekannt geworden?“ – „Er ist mir beim Holzsuchen am Kulchberg begegnet und hat mir eine Schachtel mit Salbe geschenkt“. Sie habe auch mit dem Teufel oben auf der Kulch getanzt und das Muttermal auf ihrer Schulter habe ihr der Teufel gestochen mit seiner Feder als sie den Teufelspakt mit ihrem Blut unterschrieben, worin sie ihre Seele versprochen hatte.

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Aufnahme in der Nähe von Obersiemau
  Foto: © Ulrich Göpfert

Nach diesem Geständnis wurde das Hährle von den beiden aus dem Bett geholt und mit Ketten gebunden, mehr gezogen als geführt, zum Richtplatz am Kreuzweg bei dem Hohwartshölzchen geschleppt. Hier war bereits von den Dorfbewohnern ein Scheiterhaufen errichtet worden. Der Hornschuster selbst gab dazu: 1 Schock Reisig, 1 Klafter Brennholz und 1 Mandel Stroh. Auf den Haufen wurde die jammernde Frau gestellt, an einem Pfahl festgebunden und der Scheiterhaufen an vier Ecken angezündet. Bald brannte der Haufen lichterloh und die Flammen erfassten die Kleider der armen Frau. Da hörte man einen argen Schrei. Dann wurde es ganz still und das Hährle war in den Flammen nicht mehr zu sehen. Über die Richtstätte verbreitete sich ein pestilenzartiger Gestank. Das wusste jedermann, dass das Hährle wirklich eine Hexe war.Die Asche wurde zusammen gelesen und in den „Gänsgraben“ gestreut. Der Platz der Verbrennung heißt heute noch der Hexenacker.

Quellenhinweis: Karl Mönch