Der Mai

von Erich Kästner

01
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert

Im Galarock des heiteren Verschwenders,

ein Blumenzepter in der schmalen Hand,

fährt nun der Mai, der Mozart des Kalenders,

aus seiner Kutsche grüßend, über Land.

02
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert

Es überblüht sich, er braucht nur zu winken.

Er winkt! Und rollt durch einen Farbenhain.

Blaumeisen flattern ihm voraus und Finken.

Und Pfauenaugen flügeln hinterdrein.

03
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert

Die Apfelbäume hinterm Zaun erröten.

Die Birken machen einen grünen Knicks.

Die Drosseln spielen, auf ganz kleinen Flöten,

das Scherzo aus der Symphonie des Glücks.

04
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert

Die Kutsche rollt durch atmende Pastelle.

Wir ziehn den Hut. Die Kutsche rollt vorbei.

Die Zeit versinkt in einer Fliederwelle.

O, gäb es doch ein Jahr aus lauter Mai!

05
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert

Melancholie und Freude sind wohl Schwestern.

Und aus den Zweigen fällt verblühter Schnee.

Mit jedem Pulsschlag wird aus Heute Gestern.

Auch Glück kann wehtun. Auch der Mai tut weh.

06
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert

Er nickt uns zu und ruft: "Ich komm ja wieder!"

Aus Himmelblau wird langsam Abendgold.

Er grüßt die Hügel, und er winkt dem Flieder.

Er lächelt. Lächelt. Und die Kutsche rollt.

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