Hauptdarsteller dieser Erzählung ist der "Dicken Klee":
"Ach hör doch auf! Ach, hör doch auf! Ich bin a guto Geist!"
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert
Auf den Fotos ist zwar nicht der "Tiefen Teich" zu sehen, der schon seit Jahrzehnten nicht mehr besteht, doch vermitteln sie einen entsprechenden Eindruck vom Ort des Geschehens, wenn man etwas Fantasie hat. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei Herrn Johannes Seifert aus Wildenheid der mir diese Erzählung zur Verfügung gestellt hat.
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert
Es wäre schade, wenn die nun folgende Geschichte in Vergessenheit geraten würde. Der Autor hat sich bereits beim Bearbeiten dieser "Wildenheider Gespenster-Geschichte" köstlich amüsiert und möchte dies dem Leser nicht vorenthalten:
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert
Es ist zwar schon lange her, als sich diese wahre Begebenheit in Wildenheid zugetragen hat über dem "Tiefen Teich" ist Gras gewachsen und dort wo vor Jahrzehnten noch Karpfen schnalzten, machen heute nur noch "Häähüpfer" ihre Schnalzer. So lange ist das schon her, dass die Wildenheider nicht mit Bestimmtheit anzugeben wissen, wer dem weißen Gespenst den Buckel blau und das "Hintergestell" in Regenbogenfarben hat aufblühen lassen, ob es wirklich der Hann war, oder der Philipp oder der Heiner oder gar ein anderer. So wollen wir ihn neutral den Frieder nennen.
Aber - und das ist die Hauptsache - steht fest, dass es der "Dicken Klee" war, der die fürchterlichen "Senge" bezogen hat. Das steht fest, trotzdem er ein Betttuch als "Tarnkappe" gezogen hatte, als der Ochsenziemer (Peitsche) auf dem Betttuch - und das, was darunter war - herum wirbelte wie die Trommelschlägel beim Parademarsch auf dem Kalbsfell. Und darum könnte man annehmen, dass der "Frieder" ein Wildenheider Musikant gewesen wäre, der das Trommeln verstanden hat.
Es war also damals in einem wundervoll milden Oktober, als der "Meilschnitzer Rempel" seinen "Tiefen Teich" abfischen wollte. Wenn der gezogen wurde, hat es immer zwei und drei Tage gedauert, bis die Karpfenbuckel schockweise sichtbar waren. Und weil man nie wusste, ob nicht etwa der Neustadter "Hasen- und Fischnickel" fischte, wo er keine Brut eingesetzt hatte, stellte man eine "Teichwacht" auf. So eine "Teichwacht" wäre aber eine langweilige Geschichte gewesen, wenn nicht ein Fass Bier neben dem Lagerfeuer gestanden wäre und Backsteinkäse und wohldurchsalzte Wurst den nötigen Durst geschaffen hätte. Unter diesen Umständen freilich war die "Teichwacht" ein Vergnügen, zu dem man sich gerne drängte.
Auch der "Dicken Klee" war hie und da dabei gewesen. In diesem Jahr aber hatte man ihn scheinbar übersehen, denn er saß in der letzten "Teichwacht-Nacht" mit einigen Freunden beim Mühlernst (später Knauer), da kam so gegen zehn Uhr der "Frieder" mit einem Schubkarren und einem leeren Bierfass zum Mühlernst. "Es is scho laar!" sagte er. "Die saufen wie die Widdenbüschl! Unn für jedn machsta a halb Pfund Backschteekaas zoracht unn an Vierling Mett owo Khacks. Wos da grad dou host!"
"Setz dich a bißola zu uns, Freund Friedo!" sagte der "Dicken Klee". "Bis do Ernst sei Zeug zoracht gomacht hot, khaasta bei uns noch ees g`sauf. Schenk in Friedo a Mooß ei, Ernst. Auf mei Rachnung!" Der Mühlernst brachte das Bier und ging wieder hinaus, um Käse und Wurst zurecht zuschneiden. Gleich darauf verschwand der "Dicken Klee" in die Küche. "Paß auf, Ernst, halt na a bissola auf, in Friedo. A kleß halbs Schtündla. Des gibbt ann Mords-Schpaaß!" Der Mühlernst nickte und der "Dicken Klee" ging über den Hausflur in die Wirtsstube zurück. So halb zwischen Tür und Angel rief er in die Nacht hinaus: "Muss denn des gleich sei?! Wos is denn widdo luos dahemm? Soog, ich khäm gleich. Ich hoo mo grad a Frisch eilosschenk!" "Die khaa nett dosaah, däss mo amool a Schtündla im Wertshaus sitzt!" tat einen Schluck. "Ich khumm gleich widdo!" und verschwand. Der Johann folgte ihm auf den Fuß. "Do wärd mei Allta aa gleich schick` n! Ich gieh liewo vo alleh aheem!" Der Frieder aber unterhielt sich mit den anderen über die "Teichwacht".
Draußen vorm Wirtshaus wartete der "Dicken Klee" auf den Johann. "Schick dich na a bissola!" sagte der "Dicken Klee". " Dei Alta wärd doch nett schimpfn waagn dann Betttuch?" - "Die schnarcht schö wie a Ratz!" lachte do Johann. "Die merkt goor nex dovah!" Drinnen in der Stube machte der Johann schnell Licht und kam dann gleich mit einem Betttuch aus der Kammer heraus und warf es dem "Dicken Klee" über den Kopf und probierte es ihm an wie ein Schneider einen neuen Anzug.
Mit ein paar heftigen Bewegungen befreite sich der "Dicken Klee" aus dem Betttuch. "Ich muss doch g` saah könn aa!" sagte er. "Waarn a poor Aagn neischnieten! Es is su wie suu a alts, wu ball aus` n Leim gett. Ich hoos aus mein Bett raus". - Owo mach mo es Gsecht nett hie, wu dei Hintoro golagn hott. Draas liewo rüm!" Der Johann probte von neuem. "Su jetzt paßt` s. Dohaar khumma die Aagn!" nahm eine Schere und schnitt ein paar große Löcher ins Betttuch. Dann legte er es seinem Freund von neuem an. "Khaasta g` saah?" "Es sitzt gut!" sagte der "Dicken Klee", nahm eine Schnur und rättelte sie dem Freund um die Hüfte. "Fei fest, döss mu des Zeug nett rogorutsch khaa!" "Mir senn fertig! Bluoß dann vördon Zipfl muss ich do noch an die Schnur naabind, döss dei Gsecht nett vorutscht. Sünst khaasta nex mehr gsaah!" Auch das war schnell geschehen. Der "Dicken Klee" hob ein paar Mal die Arme und schwang sein Betttuch wie ein Storch, der zum Fliegen ansetzten will. Dann drehte er sich ein paar Mal im Tanz und stieß einen furchtbares "Uuu, huhuu, Uuuu-huhuuuu" aus. "Olwosch Dingk! Mei Alta! Du weckst ja mei Alta auf!!! Flüsterte der Johann und zog in aus der Stube. Draußen fügte er hinzu: "Owo gut machsta dei Zeug! Vo su ann Gschpenst tee-it ich mich aa ferchn!"
Am Wirtshaus stand dem Frieder sein Schubkarren noch. "Ar sitzt noch drinn!" flüsterte das Gespenst und verschwand neben dem Wirtshaus in die Nacht. Kurze Zeit später verstaute der Mühlernst das frische Fass Bier auf den Schubkarren und brachte dem Frieder ein Körbchen mit Brot, Käse und Wurst aus der Küche. "Pass fei auf, Frido, döss sa dei Zeug net maus` n, die hamm wos für. Iich gläb, die wolln dich ferchn mach. Iich hou do gleich mein Ochsnziemo (Peitsche) mitgebracht." Der Frieder lachte. "Miich ferchn mach? Dou senn sa an Unrachtn kumma! Owo dei Ochsnziemo is mo schö racht!" Sprachs und schob mit seinen Schubkarren los.
Der Mond war unterdessen aufgegangen und als der Frieder auf das Bauernhölzchen zukam, sah er plötzlich etwas abseits am Wegrand einen weißen Klumpen hocken. Er wollte erst vorüberfahren, stellte aber doch den Schubkarren nieder, um nach den Ochsenziemer zu greifen. In diesem Augenblick sauste, wie ein Teufel aus einem Springkästchen der weiße Klumpen in die Höhe und fuhr mit einem furchtbaren Uuuh - Huhuuu! Uuuh - Huhuuu! auf ihn zu. Trotzdem der Frieder auf alles gefasst gewesen war, war er im ersten Augenblick doch etwas erschrocken und wich einige Schritte zurück. Im nächsten Augenblick hatte sich das Gespenst zwischen ihn und dem Schubkarren mit dem Bier und dem Essen eingeschoben. "Dumm, däss iich dan Ochsnziemo net gleich dowüscht hou" dachte der Frieder. "Worüm na dar Karrl net ausräßt?" dachte das Gespenst und stieß mit einem neuen "Uuuh - Huhuuu!" auf den Frieder vor. Aber der riß wieder nicht aus und wich nur etwas zur Seite. Auch ein dritter Angriff brachte nur eine kleine Verschiebung zur Seite. So tanzten sie beide wie Erde und Mond um die Sonne, um den Schubkarren mit dem Bierfass und der Wurst und dem Käse herum.
"Wenn na dar Karrl na es Springa afanga te-it!" dachte das Gespenst. "Wenn iich na erscht mein Ochsnziemo hätt!" dachte der Frieder. "Iich muss annosch afang" dachte das Gespenst. "Uuuh, ich bin der Tod und will dich holen! Huhuuu!" sagte es feierlich und im schönsten Hochdeutsch. Aber der Frieder machte wieder einen Seitensprung und dachte: "Iich war mein Ochsnziemo schä noch kriegn".
Dem Dicken unter dem Betttuch ward` s allmählich heiß. "In die Hölle mit dir Satan!" schrie das Gespenst, fuchsteufelswild, aber immer noch im schönsten Hochdeutsch und fuchtelte mit den linnenumhüllten Händen nach dem Frieder. Aber der wich wieder aus, das Gespenst im Nachstoß gleich, hinter im drein: "Du räßt net gleich aus, Frekko elendo!" kams ihm wütend auf "willhädorisch" heraus. Im nächsten Augenblick merkte das Gespenst, dass es sich strategisch beinahe die Blöße gegeben hätte, denn um ein Haar hätte sich der Frieder zwischen ihn und den Schubkarren mit dem Bier und dem Käse und der Wurst einschieben können. Das Gespenst reterierte schnell auf den Schubkarren zurück und setzte nun zum Generalangriff an. Ein furchtbares "Huuh! Jetzt wärschta gfrassn, Krüppl elendo!" Wütend fauchte das Gespenst auf den Frieder zu - er war aber dabei auf einen Betttuchzipfel getreten - und lag im nächsten Augenblick auf dem Bauch.
"Erscht mein Ochsnziemo!" dachte der Frieder und sauste an dem sich wieder aufraffenden Gespenst vorbei zum Schubkarren, griff nach dem Ochsenziemer: "Jetzt kumm iich an die Reiha beim Schinknklopfn!" schrie der Frieder und schon sausten die ersten Schläge auf das Betttuch nieder. "Au!" schrie das Gespenst. "Dich will iich bo-au! Jetzt kumm iich dra!" und schon hatte der Frieder den Betttuchzipfel erwischt, der dem Gespenst an die Bauchschnur geknotet war. Jetzt hatte er das Gespenst wie an einem Henkel.
"Au! hör auf! Ich bin ja a guto Geist!" schrie das Gespenst hilflos, denn ihm war beim ersten Griff das Betttuch über die Augen gezogen worden. "Unn voora hosta mich woll fraß? Gieh haar! Dich will ich bo...bo...uuuh!" Und nun trieb der Frieder das Gespenst herum wie ein Bärenführer seinen Bären an der Kausalkette und ehe er einem neuen Hieb niedersausen ließ, zwang er das Gespenst durch einen Zug an dem Betttuchzipfel in Beugestellung zu gehen oder wie der Neustadter sagen würde, in "Büohl-Stellung." "Hör doch auf, Frieder!" schrie das Gespenst auf. "Ich bin ja do "Dicken Klee!" "Lügn willsta aa noch soog?" peitschte der Frieder weiter. "Do Dicken Klee will annona nett des Bier mauß! Dar bozohlt liewo ees!"
In seiner Verzweiflung griff der "Dicken Klee" jetzt mit zwei Händen nach dem Betttuchzipfel, der ihn wehrlos machte, erwischte ihn und steiberte sich nun gegen den Zug seines Gegners, um sich loszureißen. Nun ließ der Frieder den Ochsenziemer fallen und hielt den Betttuchzipfel auch mit zwei Händen fest. Ein kurzes Gezerre her und hin und auf einmal - das Betttuch war halt auch schon an die Jahre - lagen der Frieder und das Gespenst beide auf dem Hintern, jeder etwas vom Betttuch in der Hand. Ehe der Frieder nur wusste wie ihm geschehen war, hatte sich das Gespenst bereits auf geraffelt und rannte - die Richtung hatte er bei dem Bärentanz völlig verloren - über die Felder, den Hang hinunter, als ob nun hinter ihm ein wirkliches Gespenst her wäre.
Der Frieder hatte unterdessen seinen Schubkarren wieder aufgenommen. Als er anfahren wollte, hörte er drunten am Gehrenbach einen lauten Schrei. "Jetz is o noch nei es Wasso gschtolpot aa!" lachte er. Beim Mühlernst saßen unterdessen die Freunde vom "Dicken Klee" und warteten - auf ihren Freund und noch mehr auf Wurst und Käse und Bier. Auf einmal tut sich die Küchentür auf und herein tritt, wirklich ein Gespenst, der "Dicken Klee". Das Gesicht mit einer braunen Kruste überzogen, als hätt` er sich in Kakao gebadet, die Haare über die Stirne in nassen Strähnen hängend und ein platschnasses Betttuch um die Hüften gebunden wie ein Unterrock, der in einer langen Schleppe wie ein Waschlappen auslief.
Als der "Dicken Klee" den Johann sitzen sah, fauchte er ihn bös an: "Mach mo erscht amool mein Panzo auf! Du host mich ja neigorättlt, döss ich nämmo rausgekhönnt hoo! Ich hätt ja des Tuods khönn gsei!" "Unn es Bier?" flüsterte der Johann, als er den Freund aus der Gespensterhaut befreit hatte. "Mich schicksta noch amool naa!" fuhr ihn do "Dicken Klee" an. " A annosch mool khaast du dein Buckel hieghalt unn ich schpendier es Bettuch!" Und was war das Ende der Geschichte? Der "Dicken Klee" hat die nächsten drei Nächte auf dem Bauch schlafen müssen....
Quellenhinweis: Emil Herold, Neustadt