Brückenzoll in Neustadt

Brückenzoll und Stättegeld -
Die Neustadter Brückenzollstellen

Die Erhebung dieser Abgabe brachte vielfach Ärger
mit den Nachbargemeinden


Repro: 2012 Ulrich Göpfert 
Einnahmestelle für Brückenzoll und Stättegeld für die Marienbrücke
beim Anwesen Renner, Marienstraße 3a

In Neustadt war es ein alter Brauch, dass die Arbeiter, wenn es die Witterung einigermaßen zuließ, in den kurzen Arbeitspausen zum Frühstück oder zum "Halboroumd"  in ihrer Arbeitskleidung ein Stück auf dem Bürgersteig entlang gingen oder sich vor das Haus stellten. Dies zeigt auch das Bild, auf dem vier Personen ihr "Kaffeehafola" in der Hand halten. Zum Essen gab es meist ein Stück trockenes Brot.

Für die Benutzung einer Brücke im Stadtbereich Neustadt musste seit alters her ein Brückenzoll entrichtet werden, wobei die Einnahmen der Instandhaltung des Bauwerkes dienen sollten. Die Zahlung war täglich einmal fällig, auch wenn die Brücke mehrmals befahren wurde. Als Zahlungsnachweis erhielt der Pflichtige einen Quittungszettel, den er auf Verlangen den Polizeibeamten vorzuzeigen hatte. Befreit von der Brückenzollabgabe waren alle Einwohner der Stadt Neustadt und der Gemeinden, die zum Neustadter Kirchspiel gehörten, sowie diejenigen, die zwar ihren Wohnsitz außerhalb hatten, jedoch ein Grundstück im Weichbild der Stadt Neustadt besaßen. Auch die Wagen der Herzoglichen Hofhaltung, die Dienstpferde und die Wagen des Militärs, auswärtige Feuerlöschfahrzeuge und die Postfahrzeuge mussten keinen Zoll bezahlen.

Die Erhebung dieser Abgabe brachte vielfach Ärger mit den Nachbargemeinden. Da beschwerte sich bespielsweise im Jahre 1897 der Heubischer Schultheiß Adam Walther darüber, dass die Heubischer Geschirre in Neustadt Brückenzoll bezahlen müssten, während die Neustadter in Heubisch die Brücken kostenlos befahren könnten. Die Sonneberger Geschäftsleute suchten immer wieder um eine Pauschale nach, da die Abwicklung des Brückenzolls zu zeitaufwendig war und sie die jedesmalige Bezahlung zu teuer kam. Die hohen Pauschalforderungen der Stadt führten auch hier zu unerfreulichen Auseinandersetzungen.

Eingehoben wurde der Zoll im Jahre 1911 für die Coburger Brücke bei Moritz Bauer, Ketschenbacher Straße 2, und bei August Höhn, Eisfelder Straße 2, für die Marienbrücke bei Emil Renner, Marienstraße 3a, und für die Brücke in der Lindenstraße bei Max Martin, Wittkenstraße 8. Da in jenem Jahr festgestellt wurde, dass der Autoverkehr mehr und mehr zunahm und hierfür kein Zollsatz festgelegt war, beauftragte die Stadtverordnetenversammlung den Magistrat, eine Zählung der die Brücken benutzenden auswärtigen Autos vornehmen zu lassen. Dabei stellten die Brückenzolleinnehmer fest, dass in den vier Monaten, vom 1. August bis zum 30. September 1911, insgesamt 629 Personenwagen und 30 Lastwagen über die Brücken fuhren. Die Rückfahrten, sofern sie am gleichen Tag erfolgten, blieben ungezählt.

Der neue Brückenzolltarif trat mit Wirkung vom 1. November 1912 in Kraft. Hiernach waren zu entrichten: Personenauto, zweisitzig 20 Pfennig Personenauto, mehrsitzig 40 Pfennig Lastauto 50 Pfennig Lastfuhrwerk oder Schlitten, einspännig 12 Pfennig dasselbe zweispännig 18 Pfennig Fuhrwerke oder Schlitten zur Personenbeförderung, einspännig 6 Pfennig dasselbe zweispännig 10 Pfennig Pferd, einerlei, ob es einen Reiter trug oder getrieben wurde 5 Pfennig jedes Stück Großvieh 3 Pfennig. Die Hinterziehung schuldiger Zölle war mit Strafe bedroht. Ein Coburger Seifenfabrikant, der gegen eine Strafverfogung von 5 Mark Einspruch einlegte, erhielt jedoch vor dem hiesigen Schöffengericht einen Freispruch wegen Mangels an Beweisen. Durch die ungeheuere Geldentwertung nach dem Ersten Weltkrieg mussten die Brückenzolltarife immer wieder den Gegebenheiten angepasst werden. Auf eine Anfrage der Stadt Neustadt vom 9. Juli 1923 teilte das Staatsministerium des Inneren am 18. Juli des Jahres mit, dass die weitere Erhebung des Brückenzolls für Kraftfahrzeuge nicht mehr genehmigt werden könne.

Am 15. November 1923 beschloss der Stadtrat, die Sätze aus dem Jahr 1912 mit der Schlüsselzahl des Eisenbahngütertarifs zu multiplizieren und zu erheben. Dies hätte bedeutet, dass für einen Wagen oder Schlitten 138 Millionen Mark und für ein Pferd oder ein anderes Stück Großvieh 48 Millionen zu erheben gewesen wären. Die Regierung von Oberfranken, die hierzu gehört werden musste, stellt zur Wahrung der Einheitlichkeit die rechtsaufsichtliche Genehmigung nur bei einem Rückgriff auf das Briefporto in Aussicht. So beschloss der Stadtrat, den Zöllen das Porto eines einfachen oder eines doppelten Fernbriefes oder einer Fernpostkarte zugrunde zu legen.

Im Jahr 1924 musste die Stadt feststellen, dass die Einnahmen immer geringer wurden, da sich von den Abgabepflichtigen niemand mehr um eine Bezahlung kümmerte. Während im Jahr 1913 noch insgesamt 1627 Mark eingingen, waren es 1924 nur noch 38 Mark. So beschloss der Stadtrat am 23. Juni 1925, den Brückenzoll aufzuheben. Anzumerken wäre noch, dass auch in den heutigen Stadtteilen Fürth am Berg und Wildenheid Brückenzoll verlangt wurde. In Fürth am Berg lässt er sich noch im Jahre 1935 für vier Brücken nachweisen.

Quellenhinweis: Geschichte der Stadt Neustadt bei Coburg im 20. Jahrhundert, 2. Band Mein besonderer Dank an die Herren Helmut Scheuerich sowie Dieter Seyfarth von der Stadt Neustadt für die Genehmigung der Wiedergabe aus diesem Buch.

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