Nach der Besetzung 1945
Räuberbanden terrorisieren Orte rund um Coburg
Ein Blick vom Lauterberg über Unterlauter, Dörfles-Esbach,
Paschendaele Kaserne zur Veste Coburg
2012 © Ulrich Gpfert
Überfälle (Ein Schülerbericht)
Menschen aller Nationalitäten, ehemalige KZ-Häftlinge und dienstverpflichtete Ausländer, meist Polen, lebten in der Paschendaele-Kaserne in Dörfles-Esbach. Unter diesen Menschen befand sich auch lichtscheues Gesindel, das nächtliche Raubzüge in die umliegenden Ortschaften aus Rachsucht unternahm.
Es wurden deshalb rings um die Dörfer Unterlauter und Dörfles Nachtwachen aufgestellt. Eine von diesen Wachen wurde bei der Ablösung von Plünderen gestellt und mit Schusswaffen bedroht. Durch den dabei entstehenden Lärm geweckt, knipste ein in der Nähe wohnende Bürger, der erst vor wenigen Tagen aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, das Licht an und schaute aus dem Fenster. Ein Pole schoss und traf den in seiner Nachtruhe gestörten Bürger. Der Mann starb Wochen später im Krankenhaus.
Hier auf dem Lauterberg wurden ein Polizeikommisar
und ein Schäfer von den Räuberbanden getötet
2012 © Ulrich Göpfert
Tage danach ermordeten Polen auf dem Lauterberg einen Polizeikommissar, der einem Racheakt zum Opfer fiel. Einem Schäfer erging es genauso, nur weil er seine Herde vor diesen Räubern schützen wollte. Auch in anderen Nachbarorten verloren auf diese Weise vier Menschen ihr Leben. Ein heimwärts wandernder Soldat fiel ihnen zum Opfer, obwohl er nicht mehr weit von seinem heimatlichen Dorf entfernt war.
Bei Nacht schlichen sich die Banden in die Ställe der Bauern, holten die besten Stücke Vieh heraus und schlachteten sie nahe bei der Raubstelle. In kleinen Trupps überraschten die Mörder und Plünderer die Dorfbewohner. Sie verlangten Kleidungsstücke, Nahrungs- und Genussmittel, Schmuck und anderes. Weigern konnte man sich nicht, denn die Übeltäter führten Schusswaffen bei sich.
Räuberbanden im Coburger Land
"Die Polen kommen" wird ein weit verbreiteter Angstschrei, der überall im Landkreis widerhallt, sobald die Ausländer in Rotten anrücken. Die 16 Gendarmen in Zivilkleidung, die am 1. Mai 1945 wieder ihren Dienst antreten, sind hilflos.
Da lähmt eine Nachricht die Gemüter: bei Oberlauter wurde der Gendarmeriemeister Zuleeg umgebracht. Man schreibt den 4. Mai 1945. Der amerikanische Militärgouverneur selbst fährt in den Lautergrund. Es gibt einen Augenzeugen, der berichten kann, wie alles passiert ist. Zwölf Ausländer haben den Gendarm auf dem Exerzierplatz Lauterberg mit Messern und Pistolen bedroht. Sie drängten ihn in ein Waldstück und töteten ihn durch einen Kopfschuss, bevor sie sich in Richtung Unterwohlsbach entfernten.
"Man trägt die Verantwortung und kann nichts unternehmen", seufzt der Leiter der Gendarmerie und unterbreitet der Militärregierung Vorschläge zur Bekämpfung des Bandenunwesens. Er findet taube Ohren und die Antwort: "Was wollen sie, das sind unsere Verbündeten. Ihr habt sie hergeholt und schlecht behandelt."
In den Dörfern, da kein Polizeischutz gegeben ist, greift man zur Selbsthilfe. Es werden Nachtwachen aufgestellt, die mit Knüppeln bewaffnet sind. Was sollen sie anfangen, wenn die Räuber und Mörder mit Maschinenpistolen "die Luft reinigen?"
Und einen Tag darauf ereignet sich der Mord Nummer zwei. Der Beiersdorfer Fleischbeschauer Wilhelm Büttner, gerade bei einer Hausschlachtung in Sulzdorf beschäftigt ist, wird von plündernden Ausländern hinterrücks mit einem Beil erschlagen.
Repro: Ulrich Göpfert
Auf diesem Foto aus den 40iger Jahren ist das Birkenwäldchen im Hintergrund an der Straße zwischen Dörfles-Esbach und Oeslau zu erkennen. Dort wurde ein heimkehrender Soldat Opfer der Räuberbanden. Sein Grab befindet sich auf dem Oeslauer Waldfriedhof. Im Bildvordergrund ist Hermann Büchner mit seinem Vater Johann Büchner aus Dörfles-Esbach mit ihrem Pferdegespann zu sehen
Am 13. Mai wird der Eisenbahner Carl Bernhard Zetzmann aus Dörfles das Opfer der Banden, und am 15. Mai wird ein heimkehrender Soldat im Birkenwäldchen zwischen Dörfles und Oeslau umgebracht. Das Grab des Unbekannten befindet sich auf dem Oeslauer Waldfriedhof. Am hellen Tag wird am 25. Mai der Cortendorfer Gastwirt Arthur Scheler im Geißgraben bei Waldsachsen überfallen, ausgeraubt und getötet. Viel Blut muss noch fließen, bis am 6. September ein Überfallkommando zur Bekämpfung des Bandenunwesens eingerichtet wird.
Aber noch immer ist kein Ende abzusehen. In Oberwohlsbach muss am 29./30. Juli Erich Hofmann, in Esbach am 7. August Oswald Borner und wieder auf dem Exerzierplatz Oberlauter am 18. Juli der Schäfer Johann Voll sein Leben durch Mörderhand lassen.
Am 5. September wird in Waldsachsen Oskar Sennefelder, am 11. September in Gereuth der Student Max Wittmer von Plünderen erschossen. Am 30. August wird in Beuerfeld der Landwirt Johann Georg Stauch bei Plünderungen ermordet; sein Enkel Enno Stauch stirbt an den Folgen einer erlittenen Verletzung zwei Jahre darauf, am 29. April 1947.
Die Plünderer haben nicht nur Waffen, im Forsthaus Taimbach fahren sie sogar mit einem Lastwagen vor und räumen aus, was ihnen gefällt. In Rögen kommt der Schrecken in der Nacht zum 29. August. Kaum aus dem Wochenbett entlassen, wird die Landwirtsfrau Clara Flohrschütz bei einem nächtlichen Raubüberfall in ihrem Treppenhaus erschossen.
Wie präzise die Banden "arbeiten", zeigt jene Blutnacht von Eichhof am 24./25. August. Die Bande "international gesuchte Gangster“ halten die Bewohner in Schach und plündern Kleider, Wäsche, Schmuck und Lebensmittel.
Der Besitzer des Gutes Major a. D. Erich Randt, wird erschossen, seine Frau verwundet. Bei diesem Raubüberfall kommt es erstmals zu einer Vergewaltigung. Ein vereinbartes Signal beendet die Plünderung, die Räuber ziehen sich zurück und "beharken ihren Rückweg, um sich vor möglicher Verfolgung zu sichern. An die 60 Geschoßhülsen findet man am nächsten Morgen vor dem Gut.
Erst der 20. September bringt mit einem Schlag eine Wende. An diesem Tag überfällt eine größere Bande Oberfüllbach. Es wird geplündert, drei Mädchen werden mehrmals vergewaltigt. Die Scheune des Bauern Ritter wird in Brand gesetzt. Zum ersten Mal erscheinen deutsche Polizei und Amerikaner gemeinsam am Ort des Unheils. Es kommt zum Feuergefecht und - nun schießen die Ausländer auch auf die Amerikaner! Von diesem Tag an lassen die Plünderungen und Überfälle nach.
Der Generalgerichtshof der Militärregierung verhandelt vom 18. Oktober bis 5. November in der Turnhalle des Ernestinums in Coburg gegen 14 polnische Staatsangehörige wegen Mordes, Notzucht, Plünderung, unbefugten Waffenbesitzes, Angriffen auf amerikanische Soldaten¦.
Am 15. November 1945 werden zwei Polen zum Tode durch Erschießen und fünf Polen zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Vor den Kasernen wird ein MG-Posten zur Lagerüberwachung stationiert. Zwar kommt es hier und da noch zu Einbrüchen, Plünderungen und kleineren Überfällen (im November-Dezember wird in Welsberg der Bezirkshauptmann a. D. Ludwig Rosmus getötet), doch allmählich kehrt die Sicherheit zurück.
Das Foto mit dem Pferdegespann wurde mir freundlicherweise von Harald Büchner aus Dörfles-Esbach zur Verfügung gestellt.