Helmut Recknagel zum 70. Geburtstag
„Der Superman" aus den Thüringer Bergen
wurde am 20. März 1937 in Steinbach-Hallenberg/Thüringen geboren
So wie hier auf einem Foto von einem Skisprungwettbewerb in den 1960iger Jahren auf der ehemaligen „Kulm-Schanze“ in Mönchröden bei Coburg, absolvierte Helmut Recknagel seine Sprünge in der so genannten „Superman-Pose“
Repro: Ulrich Göpfert
Helmut Recknagel - seine Sprünge in „Superman-Pose“ - haben den Skispringer berühmt gemacht. Im Augenblick des Absprungs schossen seine Arme vorwärts empor. Dort blieben sie - weit vor den Kopf gestreckt - bis wenige Augenblicke vor der Landung.
Helmut Recknagel wurde zur lebenden Legende, denn er gehört zu den erfolgreichsten deutschen Wintersportlern. 1957 versetzte der junge Mann aus Steinbach-Hallenberg die Skandinavier in Staunen, als er als erster Mitteleuropäer die Skispiele am Holmenkollen gewann. Dann ging es Schlag auf Schlag: Dreimal (1958, 1959 und 1961) gewann er die Vierschanzentournee. Recknagel holte in Squaw Valley Olympisches Gold und 1962 den Weltmeister-Titel. Er gewann alles, was zählt. Recknagel trainierte hart für seine Erfolge. Kraft und Dynamik standen im Mittelpunkt seiner Wettkampfvorbereitungen. Seine Erfolge hat er aber nicht nur seinem Trainer Hans Renner, sondern vor allem seiner Kühnheit zu verdanken. Im Rückblick bekennt Recknagel, dass er gern Profi-Sportler gewesen wäre. Erfolgreiche Schriftsteller und Schauspieler hätten viel mehr Geld verdient. Er dagegen hätte in den Sommermonaten als Werkzeugmacher arbeiten müssen - und trotzdem noch täglich trainiert.
Kalter Krieg im Wintersport
Recknagels Erfolge fielen mit einer „Hochzeit des Kalten Krieges“ zusammen. Und dieser Krieg wurde auch im Sport geführt. Die Bundesrepublik akzeptierte die DDR als deutschen Staat nicht. Weder Flagge noch Hymne wurden bei Wettkämpfen auf Bundesgebiet geduldet. Das Grundgesetz kannte Deutschland nur als Ganzes. Recknagel hatte als DDR-Sportler immer wieder mit dieser Politik zu kämpfen. Mal wurde nach einem Sieg nicht die DDR-Hymne, sondern das Deutschland-Lied gespielt, mal wurde er als Sportler aus der Sowjetzone begrüßt. Dazu kamen regelmäßige Einreiseprobleme. Trotz der politischen Querelen: Rückblickend erzählt Recknagel, dass sich die Sportler untereinander - egal ob aus Ost oder West - immer gut verstanden hätten. Unter der Politik hätten aber nicht nur die Sportler, sondern auch das Publikum leiden müssen.
Recknagel ließ sich nie beirren. Er konzentrierte sich auf seinen Sport. Und er hielt zur DDR. Ihrer Sportförderpolitik verdankt Recknagel viel. Er sieht allerdings auch die Schattenseiten der SED-Politik, wie die eingeschränkten Reisemöglichkeiten. Wie gern hätte er seiner Frau seine Wettkampfstätten, die Orte seiner Triumphe, gezeigt. Trotz der Widersprüche: Recknagel blieb der DDR treu. Einen Wechsel nach Westdeutschland, so sagt er, hätte er als Verrat an der DDR und seinen Fans empfunden. Aber mit dem Gedanken, so scheint es, hat er schon gespielt. Denn in einem Interview verrät er, dass sein Vater einen Weggang nicht gewollt hätte, da er Einzelkind gewesen sei. Außerdem sei sein Vater Kommunist gewesen.
1964 stellte Recknagel seine Bretter in die Ecke. Es war sein Entschluss. Recknagel musste sich allein beruflich neu orientieren. Er ist enttäuscht, dass ihn die DDR-Sportfunktionäre nach all seinen Erfolgen nicht weiter unterstützten. Auf dem zweiten Bildungsweg holte er das Abitur nach, organisierte sich selbst einen Studienplatz und studierte letztendlich in Berlin Tiermedizin. Später arbeitete er als Lebensmittelkontrolleur in Fürstenwalde.
Der Prothesen-Händler vom Prenzlauer Berg
1990 verlor er seinen Arbeitsplatz. Recknagel versuchte sich als Versicherungsvertreter, arbeitete als ABM-Kraft in einer Tierklinik. Dazu kamen noch einige Gelegenheitsjobs. 1996 wagte er einen Neustart. Im Berliner Prenzlauer Berg eröffnete er ein Sanitätshaus. Bis heute verkauft Recknagel Bandagen, Blutdruckmesser und Prothesen. Zu seinem Beruf kommt natürlich noch der Sport. Noch heute hält Recknagel sein Wettkampfgewicht von 70 Kilogramm. Tägliche Bewegung, frische Luft und gesunde Ernährung sind ihm im Alter noch genauso wichtig wie vor 50 Jahren.