Der Streit um Niederfüllbach
Die Auseinandersetzungen rund um Niederfüllbach zwischen Coburg,
Bamberg und Lichtenfels wegen Lehensrechte
Die Differenzen wurden mit Gewalt oder mit mehr oder weniger Tinte und Gelehrsamkeit ausgetragen.
Kirche Niederfüllbach
Foto: 2015 © Ulrich Göpfert
Schon 1399 war Füllbach in den Bamberger Lehensverband übergegangen, und das hatte eine verzwickte Rechtslage zur Folge. Der Landesherr, der die staatlichen Hoheitsrechte inne hatte (Coburg), war nicht mehr Träger der lehensherrlichen Rechte (Bamberg). Dadurch ergaben sich oft Differenzen. Und diese wurden dann mit Gewalt oder mit mehr oder weniger Tinte und Gelehrsamkeit ausgetragen.
Park Niederfüllbach
Foto: 2015 © Ulrich Göpfert
So war es auch, als sich der Zimmermann Fritz Öhlschläger in seiner Wohnung in Niederfüllbach erhängte. Man schrieb den 20. Januar 1719, und der Besitzer des Füllbacher Gutes benachrichtigte den Lichtenfelser Vogt, dass die Coburger unterwegs seien, um die Centgerichtsbarkeit auszuüben. Da kam der Vogt mit 60 Bürgern und 14 Reitern, ließ vom Scharfrichter den Leichnam abnehmen und auf sein Pferd legen. Dann brachte er den Toten nach Lichtenfels, wo ihn der Schinderknecht unter dem Hochgericht begrub.
Schloss Niederfüllbach
Foto: 2015 © Ulrich Göpfert
Die Fürstlich-Sächsische Regierung protestierte auf das heftigste, und am Ende des langen Schreibens war zu lesen: ".....nachdem Niederfüllbach ringsum von coburgischen Territorium eingekreist ist, kann man sich bambergischerseits auf keinen Fall die landesfürstliche Obrigkeit anmaßen!"
Etwas gefährlicher ging es bei der nächsten Streitaktion zu. Am 8. November 1757 hatte sich des Erhardt Forkels Eheweib in der Itz ertränkt. Die Leiche wurde ins Wohnhaus gebracht, wo sie der Lichtenfelser Vogt durch den Chirurgen untersuchen ließ. Da keine Anzeichen von Mord festgestellt werden konnten, wurde die Tote für den Ehemann zur Beerdigung freigegeben. Hochzufrieden, dass er wieder einmal der Schnellere gewesen war, wollte der Lichtenfelser gerade das Haus verlassen, da sah er sich einer "Coburger Mannschaft" mit Gewehr und aufgepflanzten Bajonett gegenüber. Geistesgegenwärtig erwähnte er ganz nebenbei, dass im Lichtenfelser Forst eine große Anzahl bambergischer Soldaten im Hinterhalt lägen, und während nun die Coburger beratschlagten, machte sich der Vogt aus dem Staub. Noch gefährlicher sah es aus, als im August 1763 eine kriegerische Auseinandersetzung gerade noch verhindert werden konnte und auch der Lichtenfelser Vogt noch einmal mit einem blauen Auge davon kam.
Ein Coburger Schuhmacher war in der Itz ertrunken und am Rechen der Geizenmühle bei Niederfüllbach hängengeblieben. Sofort besetzten 20 Bürger im Auftrag Bambergs die Mühle, aber für die in großer Überzahl anrückenden Coburger war das kein Problem. Sie schlugen die bambergtreuen Füllbacher in die Flucht, verletzten einen von ihnen schwer und brachten einem weiteren zwei Armbrüche bei. Jetzt erschien der Vogt aus Lichtenfels am Ort des Geschehens. Schockiert stellte er fest, dass er dieses Mal nicht der erste war, dass die Brücke besetzt war und dass im Innern der Mühle noch mehr Coburger waren. Als dann noch einmal 200 Herzogliche eintrafen, bekam es der Lichtenfelser mit der Angst und wünschte sich sehnlichst die zu Hilfe gerufenen Bamberger herbei. Zumal aus der Ansprache des Coburger Hauptmanns zu entnehmen war, dass man dem Vogt zunächst einmal die landeshoheitlichen Bestimmungen vorlesen würde, um ihn dann ins Wasser zu werfen.
Die Belehrung durch den Offizier war auch kaum zu Ende, da packten die Soldaten den sich heftig wehrenden Vogt an Händen und Füßen, und unter großem Geschrei begann man ihn hin und her zu schaukeln, dass ihm Hören und Sehen verging. Jetzt wollte man den armen Kerl nach dem Kommando des Hauptmanns auf eins, zwei, drei, loslassen und aus möglichst großer Höhe ins Wasser klatschen lassen. Doch kaum war der Offizier bei drei angelangt, da schrie er plötzlich: "Halt!"
Hatte doch tatsächlich der Müller das Wehr umgestellt, und das angestaute Wasser trug den toten Schuhmacher vor aller Augen davon. Zum Schrecken der Coburger und zur Erleichterung des Vogtes, der lange brauchte, um wegen der Mißachtung seiner Würde wieder ins innere Gleichgewicht zu kommen. Inzwischen trafen aus Bamberg Grenadiere in großer Überzahl ein. Ihre Überlegenheit nützte ihnen aber nichts, denn sie sahen nur noch, wie das Streitobjekt um die nächste Flußschleife entschwand. Damit war die Auseinandersetzung vorbei, ehe sie richtig begonnen hatte, und mit Lachen und Händeschütteln ging man in Frieden auseinander.
Als 1803 Niederfüllbach aus dem Bamberger Lehensvertrag herausgelöst wurde und als eine Art Gebietsentschädigung zum Land Bayern kam, erwarb die Krone Bayerns auch die bambergischen Ansprüche auf die Landeshoheit. Damit konnten die Differenzen weitergehen. Doch bald war man des Streites überdrüssig, und mit dem Staatsvertrag vom September 1803 kam Niederfüllbach endgültig und mit allen Rechten zum Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld.
Quellenhinweis: Harry Ehrlicher