Heiligabend 1957

Erinnerungen an meine Kindheit

Der Heiligabend 1957 wird mir in ewiger Erinnerung bleiben!
An diesem Tag war ich wieder einmal bei meinen Großeltern Franz und Anna Zeidler in Coburg, Lauterer Str. 16 zu Besuch. Dort war ich auch des Öfteren - nach der Schule - an den Wochenenden anzutreffen. Mit meinem kleinen Fahrrad oder, als ich noch keines hatte, war ich zu Fuß von Dörfles über die Paschendaele-Kaserne unterhalb des Kasernenzaunes auf einem Trampelpfad in die Lauterer Straße gelaufen bzw. gefahren.

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Meine Großeltern Anna und Franz Zeidler
Repro: Ulrich Göpfert

Früher musste am Heiligabend noch bis Mittag gearbeitet werden. Mein Großvater Franz Zeidler war bei den Städtischen Werken (heute SÜC) in Coburg als Installateur beschäftigt und hatte an diesem Heiligabend Dienst. Meine Tante Elisabeth (die noch zu Hause wohnte) und meine Großmutter Anna hatten an diesem Tag alle Hände voll zu tun, um letzte Vorbereitungen für das Weihnachtsfest zu treffen. Und so vergingen die Stunden bis zum Abend wie im Flug.

Der Großvater Franz war jedoch noch nicht zu Hause eingetroffen, denn er war wieder einmal mit seinen Kollegen aus der Werkstatt der Städt. Werke Coburg in der dortigen Kantine eingekehrt um in Anbetracht der bevorstehenden Weihnachtstage verbunden mit Urlaub bis zum Neuen Jahr etwas vorzufeiern. Wie fast jeden Tag war er mit seinem Moped am frühen Morgen zur Arbeit gefahren. Eines muss ich dazu noch anmerken: in dieser Zeit nahm man es noch nicht so genau mit den Promillegrenzen, denn es gab sie noch nicht.

Die "Soldaten-Gertrud"
Es wurde bereits dunkel und alle machten sich Sorgen, weil der Großvater noch nicht zu Hause eingetroffen war. Plötzlich schellte es an der Haustüre, die "Soldaten-Gertrud" stand davor. (Die "Soldaten-Gertrud" war ein Coburger-Original, die mit einem Handwagen durch die Stadt zog und Metallteile usw. sammelte. Hinter ihr war immer ein Haufen Kinder anzutreffen, die ihren Weg mit viel Spott begleiteten). Die Gertrud wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft in der Lauterer Straße und war auch an diesem späten Nachmittag noch mit ihrem Gefährt in der Stadt unterwegs. Es war für mich als Kind furchtbar mit anzuhören und anzusehen, wie sie an der Haustüre ganz aufgeregt stand und mit Armen und Beinen fuchtelte. Sie berichtete mit hektischer Stimme und nicht nur das, sie kreischte dabei laut: "der Franz ist im Kanonenweg verunglückt, er wurde von einem Auto überfahren und liegt jetzt dort auf der Straße mit blutigem Kopf" - vielleicht ist er schon tot!

Sie können sich sicher vorstellen was dann los war, die Frauen weinten und kreischten durcheinander und wollten sich gerade auf den Weg zur Unglückstelle machen, als der Großvater Franz plötzlich im Zimmer stand. Zwar war er etwas lädiert und blutete am Kopf, aber sonst war er guter Dinge. Er ließ sich zuerst darüber aufklären, warum solch ein Geschrei stattgefunden habe. Und als man ihm sagte, was die "Soldaten-Gertrud" über den Unglücksfall berichtet hatte, schmunzelte er und meinte: "Die ist wohl betrunkener als ich".

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Silberhochzeit von Anna und Franz Zeidler im Kreise der Familie und Freunde
Repro: Ulrich Göpfert

Ja, der Großvater Franz war hart im Nehmen!
Wie ich später erfuhr, war er mit seinem Moped im Kanonenweg - Höhe Arbeitsamt - auf der schneeglatten Fahrbahn ausgerutscht und gegen den Bordstein gefahren, vom Moped gestürzt und hatte sich dabei eine Platzwunde am Kopf zugezogen. Das Moped war durch den Sturz nicht mehr fahrbereit, so dass es von dort bis in die Lauterer Straße von ihm geschoben werden musste.

Es wurde noch ein schöner Heiligabend, bei dem ich zu meiner großen Freude vom Großvater Franz einen aus Blech selbstgebauten Bahnhof für meine Eisenbahn geschenkt bekam.

Erinnerungen an eine schöne Kindheit, die für mich in ewiger Erinnerung bleiben!

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