Sagen und Erzählungen aus dem Thüringer Land
Die Wartburg bei Eisenach in Thüringen
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert
Im Sommer des Jahres 1559 kam eine vornehme Dame unter fürstlichem Geleit und auf Befehl des Herzogs Johann Friedrich des Mittleren von Gotha nach Schloss Tenneberg.
Es verbreitete sich das Gerücht, sie sei eine Königin von England, und zwar die geschiedene Gemahlin König Heinrichs VIII, Anna von Cleve. Ihr Tod war zwar überall verkündet worden, es hieß aber auch, sie sei aus harter Gefangenschaft geflohen und habe sich in den Schutz des gütigen deutschen Fürsten begeben.
Auf Schloss Tenneberg musste sie viel Hartes erdulden, denn es war gemunkelt worden, dass sie nicht die sei, für die sie sich ausgegeben habe. Deshalb lebte sie auf Schloss Tenneberg nicht wie eine Freie, sondern wie eine Gefangene. In jedem Verhör sagte sie etwas anderes aus, was ihre Lage noch weiter erschwerte. Nach diesen harten Anfechtungen drohte sie sich selbst zu töten. Der Amtmann auf Schloss Tenneberg war überzeugt, dass der Teufel mit ihr im Bunde wäre und ihr auf üble Art und Weise zusetzte. Es kam deshalb so weit, dass dem Scharfrichter von Jena befohlen wurde, sie peinlich zu befragen (zu foltern), wenn sie nicht bekenne.
Nun bekannte sie manches und viel von dem Teufel, der ihr erschienen sei und ihr alles Unglück angedroht habe. Der Henker spannte sie auf die Leiter und streckte sie, doch blieb sie bei dem, was sie zuletzt ausgesagt hatte, nämlich, dass sie eine uneheliche Tochter des Herzogs von Cleve sei, und eine Vertraute der Königin Anna. Dabei blieb sich auch bei den nachfolgenden Verhören und wie sie sage: "auch wenn man sie in Stücke reißen würde!"
Sie saß auf Tenneberg in einem gemauerten Gewölbe, und trug ein langes weißes Kleid. Nie hat man später von ihr gehört, mit einem Mal war alles still. Keiner weiß, ob sie auf Schloss Tenneberg gestorben, oder ob sie von dort entkommen ist.
Quellenhinweis: Ludwig Bechstein