Feuer, Feuer, die Stadt brennt

Der "Rote Hahn" wütete am 24. Juni 1839
in Neustadt bei Coburg
Er legte von 226 Häusern 179 in Schutt und Asche

 
Die Innenstadt von Neustadt nach dem "Großen Brand"
nach einem Aquarell von Prof. Derra, Neustadt
Repro:  Ulrich Göpfert

Von Naturkatastrophen sehen und hören wir sehr oft in den Medien. Doch auch die Menschen in früherer Zeit waren davon nicht verschont, wie man aus den Unterlagen entnehmen kann, die man in Neustadt aufgezeichnet hat. Der 24. Juni 1839 ist als ein unheilvoller Tag in die Stadtgeschichte von Neustadt eingegangen. Es war ein schrecklicher Tag für die Bevölkerung und für manchen Neustadter war es der letzte Tag in seinem Leben.

Was war passiert?
Schon seit vierzehn Tagen strahlte die Sonne unerbittlich heiß auf die Stadt und der starke Südwind brachte über das ganze Land eine anhaltende Trockenheit. Auch der Johannistag, der 24. Juni 1839 war ein heißer Tag und der größte Teil der Neustadter Bevölkerung war auf der Flur mit dem Einbringen der Heuernte beschäftigt. Gegen 12.45 Uhr erschallte der Schreckensruf "Feuer" durch die stillen Straßen. Die Glocken des Rathauses und der Stadtkirche verkündeten dieses Unheil weit über die Fluren hinaus. Keiner der herbeieilenden Bürger ahnte, dass er zum letzten Mal ihren wohlbekannten Klang hören würde.

"Bei wem brennt es?" war die bange Frage. "Beim Kuder"  hieß es und alle strömten durch die engen Gassen zum Viehmarkt, wo aus dem Hausgiebel des Färbermeisters Kuder (Bäckerei Süßenguth) dicke Rauchwolken emporstiegen. Man nahm später an, dass einige Holzkohlenfunken aus der benachbarten Hufschmiede des Georg Bauersachs das Feuer verursachten. Trotz größter Anstrengung war es den herbeieilenden Einwohnern nicht möglich, den Brand zu löschen. Der fürchterliche Sturmwind trug binnen einer halben Stunde die verheerenden Flammen von Haus zu Haus bis in die sogenannte Mittelgasse (Wilhelmsstraße). Von hier aus verbreitete sich das Feuer sehr rasch gegen die Unterseite des Marktes, denn die größtenteils mit Strohwischen eingelegten Dächer boten den Flammen reichlich Nahrung.

Panische Angst ergriff die Einwohner. In Ledereimern schleppten sie aus dem Brunnen das Wasser herbei, um die Flammenwut zu dämpfen. Jedoch von einem Augenblick zum anderen steigerte sich die Not. Der immer stärker werdende Wind trieb die Funken über den Marktplatz bis zum Rathaus, dessen Dach schon zu brennen begann. Als auch auf dem Steinweg mehrere Häuser in Brand gerieten, eilten die entsetzten Menschen auf ihr eigenes Anwesen zu, um ihre Habe zu retten. Doch der größte Teil fand bereits sein Haus in Rauch und Flammen. Mit dem wenigen Hab und Gut, das sie retten konnten, rannten die verzweifelten Bewohner die Kirchgasse hinauf, um die Habseligkeiten bei der Kirche in Sicherheit zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand ahnen, dass sich das Feuer bis auf diese Höhe ausbreiten würde.

Alle Eingänge zum Markt und Steinweg waren durch zusammenstürzende Häuser und Flammen gesperrt. Das Amtsgericht und mehrere Häuser auf dem Hafenmarkt (Ernststraße) fingen an zu rauchen und die Gefahr war auf das Höchste gestiegen. Die Nachricht über den Stadtbrand hat in Windeseile die Bewohner der Nachbargemeinden zur Hilfe gerufen. Alle vereinigten ihre Kräfte, um dem weiter um sich greifenden Feuer Einhalt zu gebieten. Den Sonneberger und Oberlinder Feuerwehren, die mit ihren Spritzen und Löschgeräten herbeigeeilt waren, verdanken die Neustadter die Rettung des Amtsgerichtes und dadurch die Rettung des ganzen dahinter liegenden Stadtteiles.

Zur gleichen Zeit, als die Stadt in Flammen stand, brannten auch die am Fuße des Muppberges gelegenen Häuser und Stadel, obwohl sie über 100 Schritt weit außerhalb der Stadt lagen. Noch unerklärlicher war der Waldbrand oberhalb der Orla-Quelle auf dem Muppberg. Größer wurde Not und Jammer. Hier sah man weinende Kinder ihre Eltern suchen, dort jammerten Eltern um ihre vermißten Kinder. Gegen 15.00 Uhr fing auch der Kirchturm auf der höchsten Spitze an zu brennen und nicht lange darauf die Kirche selbst. Dadurch geriet die, erst vor sechs Jahren neu erbaute Glockenberg-Schule in höchste Gefahr. Da erschienen die Spritzen aus Coburg mit vielen Mannschaften.

Auch die fürstliche Familie - Herzog Ernst und seine beiden Söhne, die Prinzen Ernst und Albert - eilten aus Coburg an die Unglücksstelle. Unter ihrer Leitung ist es nach großen Anstrengungen gelungen, das Schulgebäude zu retten und das weitere Ausbreiten des Feuers zu dämpfen.

Die Bilanz der schrecklichen Feuersbrunst
Trotz aller Anstrengungen lagen am Abend von 226 Häusern der Stadt 179 Häuser in Schutt und Asche. Dabei nicht gezählt die vielen Hinter- und Nebengebäude; das Rathaus, die Kirche, die Pfarrhäuser und 19 Stadel wurden ein Opfer der Flammen. Aber auch Menschen waren als Opfer dieses unglückseligen Tages zu beklagen. Ein Säugling und ein sechsjähriger Junge fanden in den Flammen den Tod. Die Witwe des Bäckermeisters Witthauer fand man in einem Keller vom Rauch erstickt. Es war ein Wunder, dass nicht noch mehr Menschen in den Flammen umkamen.

Bis tief in die Nacht wüteten die Flammen auf der Unglücksstätte. Mit mehr als 60 Feuerwehrspritzen bekämpften sie den Brand. Viele Rettungsmannschaften durften die Stadt mehrere Tage nicht verlassen. Noch in der dritten Nacht nach dem Brandtage drohte den verschont gebliebenen Häusern Gefahr, denn der anhaltende Südwestwind wühlte ständig neue Funken und Flammen auf.


Als einziges Gebäude blieb die Glockenbergschule vom Stadtbrand verschont.
  Das Repro zeigt eine ältere Aufnahme von der Schule
Repro:  Ulrich Göpfert

Durch den verheerenden Brand hatte ein großer Teil der Neustadter Bürger ihr gesamtes Hab und Gut verloren und die meisten retteten nur ihr nacktes Leben. So groß aber die Not war, so schnell war auch die Hilfe und Unterstützung von nah und fern. Schon am Abend des Brandtages waren mehrere Wagen mit Brot und Lebensmittel, großen Mengen an Kleidungsstücken, Wäsche und Betten aus Coburg und Sonneberg eingetroffen. Als Verteilungsstelle wurde das Schützenhaus eingerichtet. Doch nicht nur aus der näheren Umgebung kam Hilfe, auch aus Frankfurt, Schweinfurt, Hildburghausen, Meiningen, Altenburg und Leipzig. Außerdem wurden große Geldbeträge gespendet, um die größte Not zu lindern. Sogar eine Schulklasse aus Schleiz schickte den schwergeprüften Bürgern 47 Gulden.

Der Aufbau
Im Frühjahr des Jahres 1840 konnte man mit dem Aufbau der Stadt beginnen, nachdem die Aufräumungsarbeiten der Brandstätte beendet waren. Nach einem neuen Plan begann man Haus um Haus, Straße um Straße wieder aufzubauen, sowie ein neues Rathaus zu errichten und bis zum Jahre 1841 war der größte Teil der Stadt neu entstanden. Nachdem auch die Stadtkirche ein Opfer der Flammen wurde und der Gottesdienst deshalb in der Friedhofskapelle abgehalten werden mußte, konnte mit der Errichtung der neuen Stadtkirche erst im Jahre 1846 begonnen werden. Am 29. Oktober 1848 läuteten zum ersten Mal die Glocken des heutigen Gotteshauses über der neuen Stadt.

Quellenhinweis: Erwin Drobik, Andreas Stubenrauch

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