Buchvorstellung
101 Nacht
Claudia Ott (Übersetzung) 101 Nacht
Autor: Corinna Mielke und Frank Staudenmayer
Durch Zufall zur Sensation:
Als die Erlanger Forscherin Claudia Ott in einer Andalusien-Ausstellung eine alte Handschrift sah, wollte sie ihren Augen erst nicht trauen: Sie entdeckte den Vorgänger von "1001 Nacht", die 800 Jahre alte Geschichtensammlung "101 Nacht".
Buchcover 101 Nacht
Bild: 2012 © Manesse Verlag Zürich;
Foto: 2012 © BR-Studio Franken
Berlin, im Jahr 2010, Aga Khan Museum zu islamischer Kunst:
Die Erlanger Orientalistin Claudia Ott spielt bei einer Ausstellungseröffnung arabische Flöte. Später schlendert sie an einer Vitrine mit Zeugnissen der arabisch-andalusischen Kultur im 13. Jahrhundert vorbei. Darin entdeckt sie ein aufgeschlagenes Buch mit dem Titel "101 Nacht" - einem Schild zufolge aus dem Jahr 1234. Eine Sensation! Orientalistin Ott ist schon viele Jahre im Geschäft, aber diese Abschrift war ihr gänzlich unbekannt.
"Tatsächlich ist diese Handschrift, bevor ich das Glück hatte, an ihr vorbeizulaufen, weder fotografiert noch digitalisiert worden, noch hatte sie irgendjemand untersucht oder übersetzt."
Erlanger Orientalistin und Übersetzerin Claudia Ott
Erlanger Orientalistin und Übersetzerin Claudia Ott
Foto: 2012 © Manesse Verlag/ Dominik Rößler
Später wird sich herausstellen, dass es sich um die älteste Sammlung von "101 Nacht" handelt, einem Vorläufer von "1001 Nacht". Umgehend lässt sich Claudia Ott von der Erlanger Uni beurlauben, um die Schahrsad-Geschichten zu übersetzen. Am 8. Oktober 2012 erscheinen sie als rotsamtenes Buch auf dem Markt, gerade rechtzeitig für die Frankfurter Buchmesse.
"Ich hab einfach das Gefühl gehabt, diese Handschrift hat ganz lange auf mich gewartet und hat dann gesagt: Übersetz mich!"
Erlanger Orientalistin und Übersetzerin Claudia Ott
101 Nacht: Anfang der Geschichte vom Ebenholzpferd
Foto: 2012 © Manesse Verlag / Claudia Ott
Stichwort: Schahrsad
Scheherazade (auch: Schahrsad) war die Prinzessin eines persischen Königs, die ihrem Vater und angetrautem Ehemann jede Nacht eine Geschichte erzählte und ihm die Fortsetzung erst in der nächsten Nacht in Aussicht stellte. Dieses Spiel dauerte 1001 Nacht, bis der König schließlich von der Treue seiner Frau überzeugt war. Schahrsad konnte so dem tödlichen Treiben des Königs ein Ende bereiten: Bevor er die Prinzessin zur Frau nahm war er nämlich so sehr von der Untreue seiner ersten Frau schockiert, dass er daraufhin jeden Tag eine andere Frau heiratete, die er jeweils nach der Hochzeitsnacht töten ließ.
Buchcover 101 Nacht
Bild: 2012 © Manesse Verlag Zürich;
Foto: 2012 © BR-Studio Franken
Hundertundeine Nacht ist der großen Schwester "1001 Nacht" recht ähnlich - es tritt auch Schahrsad auf. Jedoch sind die einzelnen Erzählungen kompakter und weitaus weniger verschachtelt. Die Geschichten aus "101 Nacht" gelten als das älteste bekannte Manuskript der berühmten Märchensammlung. Diese wurde über Jahrhunderte hinweg von Generationen von Erzählern mündlich weitergegeben und dabei immer wieder verändert.
Die Handschriften waren eine sogenannte Beibindung zu einem Geographiebuch, so wie sie im 12. und 13. Jahrhundert im westlichen Arabien kopiert worden sind. Keine hohe Literatur, sondern Literatur für breitere Schichten, Unterhaltungsliteratur. Als solche wurde sie von Vertretern der Hochliteratur teilweise skeptisch beäugt.
Die 800 Jahre alte Handschrift im syrischen Bücherständer
Foto: 2012 © Manesse Verlag/Claudia Ott
Trotzdem waren diese Geschichten sehr beliebt und bekannt gewesen - und sind es bis heute. Die Geschichten seien für ein großes Publikum geschrieben und erzählt worden, erklärt Claudia Ott. Und sie sollen auch wieder ein großes Publikum erreichen.
"In meinen Lesungen mit arabischer Musik versuche ich in diese Texte hineinzuschlüpfen und sie auch tatsächlich dorthin zu bringen wo sie eigentlich hingehören, nämlich an die Leser und Hörer."
Erlanger Orientalistin und Übersetzerin Claudia Ott
Das dürfte gelingen: Zeitgleich zum Buch erscheint das vom Bayerischen Rundfunk produzierte Hörbuch mit Jasmin Tabatabai, an dem Claudia Ott als Musikerin mitgewirkt hat.
Und auch das Leseexemplar dürfte dem Bedürfnis der Autorin und der Kunden nach dem Märchenhaften entgegenkommen: Schmeichelnd roter Samteinband mit Goldprägung, verbunden mit einer Weltneuheit aus uralter Zeit: einem Buchschuber mit "eingebauter" Buchstütze.
"Der Manesse Verlag hat in der Türkei eine Manufaktur gefunden, die eine völlig geniale Erfindung um dieses Buch herum gesetzt hat: nämlich einen Buchschuber, der sich mit einem einzigen Handgriff in eine orientalische Buchstütze verwandelt."
Erlanger Orientalistin und Übersetzerin Claudia Ott
Weitere Informationen zum Buch
101 Nacht:
Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott.
Nach der Handschrift des Aga Khan Museums.
336 Seiten,
49,95 Euro,
ISBN 978-3-717590262
Sendungshinweis
Bis zum 18. Dezember werden die aufregenden Geschichten von "101 Nacht" in den Bayern 2 radioTexte gesendet, jeweils am Dienstag von 21.00 bis 22.00 Uhr.