Redensart des Monats

Redensart des Monats – Wissen und Bildung BR
Wissen Sie, wo der Barthel den Most holt

 
Bald werden die Äpfel geerntet und ein Teil zu Most verarbeitet

2006 © Ulrich Göpfert

Die Gläser klingen aneinander, es herrscht heitere Gemütlichkeit - so ein Glas Most in geselliger Runde kann ganz köstlich schmecken. Doch was hat der Most mit dem Barthel zu tun? Wer ist dieser Barthel überhaupt? Und warum sollte man wissen, wo er den Most holt?

Ist das der Barthel?
Trauben und Äpfel sind geerntet und nach der ersten Kelterung - der ersten Presse - schwappt der Most in den Fässern. Es kann also nicht allzu schwierig sein, an diesen Most zu kommen. Doch Barthel, wer auch immer das ist, gilt als richtiger Schlaukopf - weil er offenbar einen Geheimtipp hat: Nur er weiß, wo man den Most holt. Für diese eigentümliche Redensart gibt es etliche Erklärungen.

Ohne Most nix los?
Hier hilft zum Beispiel ein Blick in die Gaunersprache. Dann wäre der Barthel gar kein Name, sondern das "barsel", das Brecheisen. Und der Most entspräche dem jiddischen "Moos", ohne das bekanntlich nix los ist - in der Gaunersprache heißt es "mäsz". Wenn das Brecheisen also weiß, wo der Most zu holen ist, ist zunächst einmal finanziell ausgesorgt - vorausgesetzt, man wird bei diesem "Holen" nicht erwischt...

An Lostagen geht's los
Doch über die Herkunft der Redensart gibt es weitere Spekulationen. Sie taucht zum Beispiel bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf. Und da können die Bauernregeln weiterhelfen: Dem heiligen Bartholomäus ist ein Gedenktag gewidmet, der 24. August, ein Lostag für Fischer, Bauern und Winzer. Mit diesem Tag wurde der Fischfang in den Binnengewässern eröffnet und je nach Frucht ging die Ernte los. Für die Winzer war Bartholomäus sogar ein Patron, sozusagen ein "Weinheiliger".

Das Schlitzohr und sein Spezl
Doch Trauben oder Äpfel sind an diesem Termin noch nicht reif und noch sauer, so dass ein Winzer, der zu "Barthel" schon Most hat, ein rechtes Schlitzohr sein muss. Deshalb kennt man im Schwäbischen auf die Frage: "Wo holt der Barthel den Most?" die Antwort: "Beim Michel." Dabei handelt es sich nicht um seinen Spezl, sondern um den Heiligen Michael, dessen Gedenktag am 29. September ist. Und wiederum eine Bauernregel weiß: "Michaeliswein wird süß und fein."

Durchtriebene Schlaumeier, die Bescheid wissen
Anders gesagt, der Barthel weiß mit einem Blick auf die reifenden Früchte in den Nachbarsgärten schon Ende August, wo er den Most holen will - doch ernten wird er erst Ende September. Über einen, der alle Schliche kennt, der sich zu helfen weiß, alle Tricks und Kniffe kennt, regelrecht durchtrieben ist und als Schlaufuchs einfach leichter durchs Leben kommt - über einen Menschen, mit diesen Eigenschaften, sagt man noch heute anerkennend: Der weiß, wo der Barthel den Most holt. Doch sagt jemand zu Ihnen, "Dir will ich zeigen, wo der Barthel den Most holt!", haben Sie die Nerven Ihres Gegenübers über Gebühren strapaziert und hören nun sein letztes Wort.

2006 © Bayerischer Rundfunk

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